Wohnungsnot droht

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ANALYSE. Warum SPÖ und ÖVP gut beraten wären, sich jetzt um eine Bauoffensive zu bemühen.

Mit der Mietpreisbremse, die auf dem Weg zur Beschlussfassung ist, mag für Mieter etwas Beruhigendes einhergehen: Sollte es wieder einmal zu einer Zeit mit Inflationsraten von deutlich mehr als drei Prozent kommen, werden Mieten nicht gleich zur Gänze angepasst.

Die SPÖ hat diese Bremse bei ÖVP und Neos durchgebracht und will jetzt einen Schritt weitergehen: Andreas Babler und Co. möchten einen Straftatbestand „Mietwucher“ einführen. Die ÖVP will davon jedoch nichts wissen. Es sei „problematisch, wenn man Menschen (Vermieter) unter Generalverdacht stellt und kriminalisiert“, sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer.

Für die SPÖ ist Wohnen ein Grundrecht. Problem: In den kommenden Jahren könnte es sich für mehr und mehr Menschen nicht befriedigen lassen. Nicht wegen der Inflation und daraus resultierenden Anpassungen im Ausmaß von zumindest drei Prozent plus der halben allenfalls darüber hinausgehenden Teuerungsrate. Sondern weil eine Wohnungsnot droht, die sich auch durch Mietwucherbekämpfung nicht aus der Welt schaffen lassen würde.

Es wird schlicht viel zu wenig gebaut. Wohnungsfertigstellungen, die von der Statistik Austria nur bis zum Jahr 2023 ausgewiesen werden, täuschen darüber hinweg; hier ist es noch zu keinem Einbruch gekommen. Ein solcher ist jedoch vorprogrammiert. Das zeigt ein Blick auf Baubewilligungen. Das ist ein Frühindikator: Bewilligungen von heute sind Fertigstellungen in zwei, drei Jahren.

2018 bis 2022 sind im zweiten Quartal in Österreich durchschnittlich über 16.000 Wohnungen zur Errichtung freigegeben worden. Dann ist es zu einem Einbruch gekommen. Seither werden viel weniger Bauprojekte in Angriff genommen: 2023 handelte es sich von April bis Juni um weniger als 10.000, 2024 um weniger als 8000 und heuer auch nur um 9168. Das sind um fast die Hälfte weniger als in den Jahren bis Anfang 2022, wie Statistik Austria-Daten zu entnehmen ist.

Und damit ist eben auch schon absehbar, dass in den 2020er Jahren alles in allem viel zu wenige Wohnungen entstehen. Und zwar gerade auch in wachsenden Bundesländern wie Wien. Hier sind im zweiten Quartal des vergangenen und des heutigen Jahres sogar um mehr als die Hälfte weniger Wohnungen baubewilligt worden als 2018 bis 2022.

Nach Bauträgern gibt es keine Daten. Es lässt sich also nicht sagen, wie viele Wohnungen zum Beispiel auf das weniger teure Gemeinnützigen-Segment entfallen. In Summe zu wenige Wohnungen heißt grundsätzlich jedoch, dass das Preisniveau mit größerer Wahrscheinlichkeit stärker steigt, ob für Eigentums- oder auch für Mietzwecke.

Nicht nur für die SPÖ wäre es daher dringlich, sich um eine Wohnbauoffensive zu bemühen. Ein zweiter Blick auf die Daten zeigt, warum auch die ÖVP größtes Interesse daran haben müsste: Für Teile von ihr gibt es quasi ein Grundrecht auf ein Einfamilienhaus. Mehr und mehr Menschen können oder wollen jedoch nicht mehr zu einem solchen kommen.

Auch hier macht sich die Krise bemerkbar. Seit 2023 gibt es im zweiten Quartal österreichweit jeweils ziemlich genau halb so viele Baubewilligungen für neue Gebäude mit einer Wohnung, also klassische Einfamilienhäuser. Am größten ist der Einbruch in Niederösterreich mit über 50 Prozent: Wurden hier 2018 bis 2022 durchschnittlich 1380 Häuser zur Errichtung freigegeben, handelte es sich heuer nur um 597, als um 57 Prozent weniger.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) führt die Entwicklung gerne auf die sogenannte KIM-Verordnung zurück, für die die Finanzmarktaufsicht verantwortlich zeichnete. Das war eine Kreditvergaberichtline, an die sich Banken zuletzt halten mussten. Eher ins Gewicht gefallen ist nach Einschätzung der Nationalbank jedoch ein erhöhtes Zinsniveau. Dazu kommen dürften Unsicherheiten der Zeit, die viele davon abhalten, in langfristige Investitionen zu gehen.

Wie auch immer: Menschen, die davon absehen, sich den bürgerlichen Traum vom Eigenheim zu realisieren, sind Menschen, die eher in einer Eigentums- oder Mietwohnung bleiben – womit eben weniger frei werden und sich die Marktlage mit entsprechenden Folgen für das Preisniveau auch aus diesem Grund verschärft.

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