BERICHT. Auf das oberste Zehntel entfallen in Wien 90 Prozent der Verlassenschaftsvermögen. Studie, die im Auftrag der Stadt erstellt worden ist, enthält belastbare Daten.
In Österreich gibt es weder eine umfassende Vermögens- noch eine Erbschaftssteuer. Daher ist relativ wenig über die Verhältnisse der Haushalte bekannt. Vorliegende Daten beruhen auf Befragungen. Im Auftrag der Stadt Wien haben Mitarbeiter:innen des Instituts für Ungleichheit der Wirtschaftsuniversität nun jedoch Verlassenschaften untersucht: Sie haben an Bezirksgerichten die Nachlasswerte von Verstorbenen erfasst, die von Notar:innen angegeben werden. Das Ergebnis ist nicht repräsentativ für das ganze Land, aber aussagekräftig für die zehn betroffenen Bezirke, die im Hinblick auf die sozioökonomische Zusammensetzung der Bevölkerung sehr unterschiedlich sind: Innere Stadt, Landstraße, Wieden, Margarethen, Mariahilf, Simmering, Meidling, Währing, Döbling und Donaustadt.
Die Verlassenschaftsverteilung ist extrem ungleich, wie der Studie zu nehmen ist: In der Mitte würden nach Abzug der Bestattungskosten „kleine Vermögens- oder Verschuldungswerte von wenigen tausend Euro“ bleiben: „Der Median des Nachlassvermögens beträgt null Euro.“ Siehe auch nachfolgenden Screenshot dazu.
Ein Teil der Nachlässe bzw. Verlassenschaften sei sogar „stark verschuldet“. So betrage die durchschnittliche Verschuldung beim untersten Zwanzigstel fast eine Viertelmillion Euro: 227.003 Euro.
Auf der anderen Seite würden 90 Prozent der Nachlassvermögen auf das oberste Zehntel der Fälle entfallen. Und 39 Prozent auf das oberste Hundertstel: „Das durchschnittliche Verlassenschaftsvermögen im obersten Prozent liegt bei rund 4.703.271 Euro.“ Die obersten 0,5 Prozent würden im Schnitt ein Vermögen von rund sieben, die obersten 0,1 Prozent ein solches von knapp 14,6 Millionen Euro hinterlassen.
Eine große Rolle spielen Finanz- und vor allem Immobilienvermögen. Wobei zu beachten ist, dass die Eigentumsquote in Wien lediglich 18 Prozent beträgt und damit viel niedriger ist als im übrigen Österreich (fast 55 Prozent). Daneben ist den Autor:innen Lorenz Bodner, Franziska Disslbacher und Severin Rapp aufgefallen, dass Unternehmensbeteiligungen eine geringe Rolle spielen. Eine mögliche Erklärung dafür sei, dass derartige Beteiligungen häufig schon zu einem Zeitpunkt vor dem Tod übergeben werden.
In Österreich gibt es seit dem Jahr 2008 keine Erbschaftssteuer. Der Verfassungsgerichtshof hatte eine Ungleichbehandlung von Geld- und Immobilienvermögen geortet. Zu einer Reparatur kam es nicht. Die ÖVP, die auch damals in der Regierung war, lehnt eine solche Steuer ab. Freiheitliche und Neos sind ebenfalls dagegen. Damit ist eine von Sozialdemokraten und Grünen geforderte Wiedereinführung nicht sehr wahrscheinlich.