Was Edtstadler ausblendet

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ANALYSE. Wenn man sich zur Beschränkung der Pressefreiheit schon auf Deutschland beruft, sollte man das auch bei der Informationsfreiheit tun. Sonst bleibt das Ganze durchschaubar.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) fordert ein Zitierverbot aus Strafakten. Glück im Unglück: Justizministerin Alma Zadic (Grüne) lehnt das ab. Solange ihre Partei mitregiert, dürfte es daher ausbleiben. Das ist nicht nichts. Im Gegenteil: „Das würde die österreichische Pressefreiheit massiv beschränken“, sagt Andreas Koller, Präsident des Presseclubs Concordia und stellvertretender Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“ in einem Ö1-Interview.

Über diverse Chats hätte unter Umständen bis heute nicht berichtet werden können, Thomas Schmid wäre vielleicht noch ÖBAG-Chef, Sebastian Kurz Kanzler und ÖVP-Obmann.

Die Verfassungsministerin, die von Kurz einst in die Politik geholt worden ist, nennt für ihren Vorstoß Deutschland als Vorbild. Dort gebe es das. Der Haken: Dort gibt es auch vieles andere, das ebenfalls berücksichtigt gehört, von Edtsadler aber nicht erwähnt wird.

Beispiel 1: Illegale Parteienfinanzierung ist im Unterschied zu Österreich kein Kavaliersdelikt, das bloß mit einer Strafzahlung bedroht ist. Wer sich in Deutschland schuldig macht, muss damit rechnen, hinter Gittern zu landen: „Wer in der Absicht, die Herkunft oder die Verwendung der Parteimittel oder ihres Vermögens zu verschleiern oder die öffentliche Rechnungslegung zu umgehen, unrichtige Angaben über die Einnahmen oder über das Vermögen der Partei in einem eingereichten Rechenschaftsbericht bewirkt oder einen unrichtigen Rechenschaftsbericht einreicht oder als Empfänger einer Spende diese in Teilbeträge zerlegt und verbucht oder verbuchen lässt oder entgegen der im § 25 Abs. 1 Satz 3 PartG normierten Pflicht eine Spende nicht unverzüglich an ein für Finanzangelegenheiten von der Partei satzungsmäßig bestimmtes Vorstandsmitglied weiterleitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ In schweren Fällen sind sogar bis zu fünf Jahre Haft möglich. Quelle: Deutsches Parteiengesetz (PartG) § 31d.

Für Österreich wäre das schon einmal ein Beitrag für eine saubere Politik. Bzw. zur Generalsanierung, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen einmahnt.

Umgekehrt könnte man nach deutschem Vorbild zudem die Öffentlichkeit und damit auch die Medien stärken. Womit wir bei Beispiel 2 angelangt wären: In Deutschland existiert nicht nur kein Amtsgeheimnis, sondern es besteht dort eine ernstgemeinte Informationsfreiheit. Das bedeutet, dass sie gepflegt wird.

Ausgerechnet Edtstadler hat unlängst einem Informationsfreiheitsbeauftragten oder einer solchen eine Absage erteilt. Während Ämter für die Abwehr von Auskunftsbegehren gestärkt werden sollen, sollen Bürger:innen (und Journalist:innen) keinen Beistand erhalten, der ihnen hilft, zu ihrem Recht zu kommen.

In Deutschland gibt es auf Bundesebene und in den meisten Ländern Informationsfreiheitsbeauftragte. Jede Person kann sie anrufen, wenn sie ihr Recht auf Informationszugang als verletzt ansieht. Die Beauftragten helfen. Und wie.

Auf der Seite netzpolitik.org sind konkrete Fälle angeführt. Im vergangenen August hieß es beispielsweise: „Relevante Nachrichten von Politiker:innen über SMS und Messenger fallen unter das Informationsfreiheitsgesetz. Mit dieser Feststellung schickt die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten eine klare Botschaft nach Berlin.“ Titel der Geschichte: „Regierungs-Chats müssen zu den Akten“.

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