Warum es starke Volksparteien braucht

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ANALYSE. Vor allem Menschen, die sich der Arbeiterschicht zuordnen, nehmen eher nur noch Verschlechterungen wahr und sehen keinen Sinn mehr darin, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Bei denen, die wählen, ist Kickl hoch im Kurs.

Warum erfahren autoritäre und populistische Kräfte so viel Zuspruch, dass Demokratien unter Druck geraten? Diese Frage muss man sich von Wahl zu Wahl mehr stellen. Es hängt nicht nur mit verantwortungslosen Demagogen und Dingen wie mangelndem Wissen zusammen. Es hat wohl auch damit zu tun, dass sich ein erheblicher Teil der Bevölkerung nichts mehr erwartet. Und zwar schon gar nicht von klassischen Volksparteien wie ÖVP und SPÖ.

Ein guter Hinweisgeber sind Österreich-Detailergebnisse von Eurobarometer-Befragungen, die im Auftrag des Europäischen Parlamentes und der Kommission regelmäßig durchgeführt werden. Beziehungsweise die Werte, die sich bei all jenen ergeben, die sich selbst einer Arbeiterschicht zuordnen.

Die Arbeiterschicht ist die unterste (sozioökonomische) Schicht. Ihr ordnen sich sehr wahrscheinlich also nicht nur Arbeiterinnen und Arbeiter zu, sondern auch Leute, die meinen, buchstäblich die Letzten zu sein. Bei demokratischen Prozessen sollten sie zwar gleich wie alle anderen sein, eine Mehrheit von über 60 Prozent ist jedoch nicht zufrieden damit, wie Demokratie in Österreich läuft. Insofern verwundert es wenig, dass nur gut ein Drittel von ihnen zum Beispiel an der jüngsten Europawahl teilgenommen hat. Viele geben ausdrücklich an, dass ihre Stimme ohnehin nicht zähle.

Bei einer Volksabstimmung über einen EU-Austritt würde es möglicherweise eine Mehrheit dafür geben in dieser Gruppe. 61 Prozent finden, dass Österreich nicht profitiere von der Mitgliedschaft. Ganze 71 Prozent sind der Überzeugung, dass die Dinge in der EU in die falsche Richtung laufen.

Auch in Bezug auf Österreich tut das eine Mehrheit von 65 Prozent der Männer und Frauen, die sich der Arbeiterschicht zuordnen. Was vielleicht daher kommt: 77 Prozent sagen, dass sich ihr persönlicher Lebensstandard in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert habe (Gesamtbevölkerung: 44 Prozent). Und auch für die kommenden fünf Jahre erwartet eine Mehrheit von 53 Prozent eine Verschlechterung (Gesamtbevölkerung: 32 Prozent).

Außerdem: In der Gesamtbevölkerung sind 53 Prozent der Meinung, dass Zuwanderer einen positiven Beitrag für Österreich leisten. In der Arbeiterschicht handelt es sich um 24 Prozent, also nicht einmal halb so viele. Hier finden 66 Prozent, dass ihr Beitrag negativ ist.

Wen wählen Arbeiterinnen und Arbeiter, die wählen gehen? Das Foresight-Institut ging bei der jüngsten Nationalratswahl auf Basis einer Wahltagsbefragung davon aus, dass 50 Prozent den Freiheitlichen von Herbert Kickl ihre Stimme gegeben haben. Hier liegt eine etwas andere „Arbeiter“-Definition vor, geht es um den Berufsstand, der sich von Angestellten, öffentlich Bediensteten und Selbstständigen unterschiedet. Dabei kann es sich auch um Facharbeiter handeln, die sich nicht der Arbeiter-, sondern der Mittelschicht zuordnen würden und die früher vielleicht Stammwähler der ÖVP waren.

Umso bemerkenswerter ist das Ganze: Laut Foresight kam die FPÖ bei Arbeiterinnen und Arbeitern eben auf 50 Prozent, während sich die einstige Arbeiterpartei SPÖ mit 20 Prozent begnügen musste und die ÖVP, deren Teilorganisation ÖAAB einmal für „Österreichischer Arbeiter- und Angestelltenbund“ stand, auf zehn.

Das unterstreicht, wie sehr es auf klassische Volksparteien ankommt. Beziehungsweise ankommen würde. Von ihrem Vermögen, das Vertrauen einer Masse zu gewinnen und zu halten, sowie dieser Masse eine Perspektive zu vermitteln, hängt extrem viel ab. Auch für die Demokratie.

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