ANALYSE. Linke mögen in Städten siegen, extrem Rechte schöpfen ihre Stärke jedoch aus Erfolgen in ländlichen Regionen. Dem gehört viel mehr Augenmerk gewidmet.
Vielleicht ist es dem deklarierten Linken Zohran Mamdani mit dem Sieg bei der Bürgermeisterwahl in der US-Metropole New York gelungen, für „einen der größten politischen Umstürze in der modernen amerikanischen Geschichte“ zu sorgen, wie Bernie Sanders meint. Sicher ist es nicht. Es gibt da diesen Großstadtfaktor, der schwer zu gewichten ist, aber kaum überschätzt werden kann.
Man kennt das auch aus Europa: Wenn Frankreich ausschließlich aus Paris, Deutschland ausschließlich aus Berlin, Ungarn ausschließlich aus Budapest und Österreich ausschließlich aus Wien bestehen würde, wären Mitte-Links-Parteien und -Kandidat:innen noch immer groß da.
Siehe Nationalratswahl 2024: FPÖ und ÖVP haben in der Bundeshauptstadt deutlich schlechter abgeschnitten als bundesweit, während die SPÖ mit Zugewinnen vorne geblieben ist und zusammen mit Grünen und Neos eine Mehrheit gehalten hat. Damit hätte der Traum von Andreas Babler, eine rot-grün-pinke Regierung zu bilden, Wirklichkeit werden können.
Aber Österreich ist eben mehr. Viel mehr.
Rechte wie Trump in den USA und Kickl in Österreich sind so stark, weil sie am Land abräumen. Und es spricht wenig dafür, dass sich das in absehbarer Zeit ändert, im Gegenteil. An ihre Stelle treten allenfalls andere, an jene von Trump eventuell JD Vance. Es ist müßig, darüber zu spekulieren. Der Punkt ist: Es handelt sich nicht nur um Demokratiegefährder, sondern -zertrümmerer. Daher gehört dem entscheidenden Phänomen, dass sie außerhalb der Städte auf so großen Zuspruch stoßen, viel mehr Augenmerk gewidmet.
Leute wie Friedrich Merz und Christian Stocker lenken mit dem nebulosen „Stadtbild“-Begriff ab davon. Schlimmer: Sie glauben damit der Stimmungslage einer Landbevölkerung zu entsprechen, wonach der Staat aufgrund vieler Migrant:innen in Städten, die ihnen ebenso fremd sind wie diese, dem Untergang geweiht sei.
In Wirklichkeit ist das mit Abstand größte Problem jedoch ein ganz anderes, ist es in wesentlichen Teilen genau umgekehrt: Vor allem die Landbevölkerung ist es, die in ihrer unmittelbaren Umgebung negative Entwicklungen erlebt. Gerade auch im Vergleich: Während Städte pulsieren und wachsen, während Städte eher voller Chancen sind und es sich dort sehr viele sozioökonomisch verbessern können, fallen große Bereiche des ländlichen Raumes zurück; nicht zuletzt auch aufgrund von Abwanderung, durch die sich eine Abwärtsspirale beschleunigt.
Eigentlich kein Wunder, dass hier überdurchschnittlich viele Menschen das Gefühl haben, von Regierenden benachteiligt zu werden; und dass sie – wie hier ausgeführt – eher schwarz sehen für sich und den gesamten Staat.
Will Stocker die Republik also wirklich sturmfest machen, widmet er sich nicht dem Stadt-, sondern dem Landbild. Darauf kommt es an: Dass dort wieder Zuversicht überwiegen kann. Von Sozialdemokraten, die kein Problem mit dem Stadtbild haben, nicht zu reden: Passable oder gute Wahlergebnisse, wie zuletzt in Wien, Linz und Salzburg, reichen nicht aus, um auch nur eine Chance zu haben, bundesweit wieder auf die Überholspur kommen zu können. Ja, das ist auch für Neos und Grüne wichtig: Rutscht der ländliche Raum weiter nach rechts, wächst die Wahrscheinlichkeit auf einen Kanzler (wie) Kickl, ist für sie sowieso kein Platz mehr in der Regierung.