Verkrampfte Schwarze

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ANALYSE. Widerwillig lässt die Vorarlberger ÖVP zu, dass Schwangerschaftsabbrüche in einem öffentlichen Krankenhaus stattfinden können – als Privat- und nicht als Kassenleistung. All das sagt sehr viel über sie aus.

Vorarlberg ist einmal weiter und liegt ein anderes Mal wieder zurück. Vor 61 Jahren erließ die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ein Twist-Verbot. Begründung: Der „Modetanz“ sei geeignet, „Ärgernis zu erregen und das Sittlichkeitsgefühl weiter Kreise der Bevölkerung zu verletzen“. Solche Dinge haben aber eher nur zu einer Gegenbewegung geführt. Und irgendwann hat die führende Volkspartei dann auch selbst versucht, aufzuschließen.

Vor rund 30 Jahren war sie unter Landeshauptmann Martin Purtscher weltoffen-liberal, forcierte Kulturpolitik und betrieb auch eine Integrationspolitik, zu der Purtscher einmal sagte, dass er eine multikulturelle Gesellschaft anstrebe. Naiv? Woher.

Wer das Glück hat, Eva-Maria Grabher zu erleben, die sich um Integration im Land bemüht, der bekommt eine Ahnung davon, dass hier ein alemannisch-nüchtern-pragmatischer Zugang gepflegt wird: Probleme und Herausforderungen werden benannt; aber nicht, um sie parteipolitisch zu missbrauchen, sondern um sich nichts vorzumachen und so eher Lösungen finden zu können. Eine solche ist vor wenigen Tagen durch die Medien gegangen: An einer Volksschule in Feldkirch werden 27 Sprachen gesprochen. Und? Sie Schule macht eine Stärke daraus, erklärt es zu ihrem „Markenkern“ und gilt offenbar als Vorzeigemodell.

In Wien würde das von einem Blauen oder eher sogar einem türkisen Stadtparteiobmann skandalisiert werden. Im äußersten Westen passiert nichts dergleichen.

Was Purtscher nach vorne trieb, haben seine Nachfolger gebremst. Unter Herbert Sausgruber und Markus Wallner läuft eine Verkrampfung, die vielleicht daher kommt, dass sich die ÖVP immer schwerertut, klar stärkste Partei zu bleiben; und dass sie daher umso mehr Kernwähler umwerben möchte.

Sausgruber hat (vergeblich) gegen die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare gekämpft. Wallner wollte bisher Abtreibungen in einem öffentlichen Spital verhindern. Weil ansonsten aber schon bald gar keine mehr möglich gewesen wären in Vorarlberg und es Unmut in seinen eigenen Reihen gab darüber, ließ er sich nun darauf ein, sie am Landeskrankenhaus Bregenz zu ermöglichen – aber als Privat- und nicht als Kassenleistung und jedenfalls um 720 Euro: Der Preis sei nicht verhandelbar, so Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP): Es werde keinen finanziellen Zuschuss geben.

Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich seit 50 Jahren nicht erlaubt, sondern nicht strafbar. Aber auch das geht Teilen der ÖVP zu weit, sie hadern bis heute damit. In der Sache ist es nicht unbedingt logisch: Gerade wenn man die Fristenlösung letzten Endes doch irgendwie duldet; und gerade wenn einem das Recht auf Leben wichtiger ist als die Selbstbestimmtheit der Frau, könnte man argumentieren, dass Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Spitälern kostenlos durchführbar sein müssen. Warum? Weil damit verhindert wird, dass gerade auch Frauen mit wenig Geld einen Abbruch unter zweifelhaften und möglicherweise sogar lebensgefährlichen Umständen durchführen lassen. Beziehungsweise weil man so kontrollierte, sichere Abläufe garantieren kann.

Was nun in Vorarlberg vorgesehen ist, ist eine Lösung, die Konservative empören und einige andere noch immer enttäuschen wird. Und die von der populistischen FPÖ mit dem Kommentar versehen wird, dass Wallner umgefallen sei. Es ist im Übrigen eine Lösung, die nicht konsequent ist: Es ist weder eine Absage an die Fristenlösung noch ein unmissverständliches Bekenntnis zu ihr; und zwar in dem Sinne, dass der Staat, weil es die Fristenlösung gibt, die Pflicht hat, vollumfänglich Verantwortung für ihre Umsetzung zu tragen. Es ist bezeichnend für den Zustand der Volkspartei. Diesmal der schwarzen.

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