Unglück am Land

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ZAHLEN ZUM TAG. In kleineren Gemeinden sind die Menschen pessimistischer als in größeren Städten. Das ist politisch relevant und lässt sich belegen.

Die Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer (ÖVP) hat zur Analyse über den Rechtsruck auf dem Land bzw. zur dieSubstanz.at-Behauptung, dass dieser nicht unmittelbar mit Zuwanderung, sondern mit Abwanderung und damit einhergehenden Befürchtungen zu tun hat, dass (schier) alles schlechter wird, auf X den Politologen Ivan Krastev zitiert: „Die Hysterie rund um nicht existente Immigranten, die drauf und dran sind, das Land zu überrennen, ist die Substitution einer echten Gefahr (Entvölkerung und demografischer Kollaps), über die man nicht zu sprechen wagt, durch eine scheinbare (Immigration).“

Dazu gehört folgendes betont: Selbstverständlich gehen mit Asyl und Migration nicht nur Bereicherungen, sondern auch Probleme einher. Man kann sie aber als Herausforderungen betrachten, die gelöst gehören oder einfach nur Stimmungsmache betreiben. Zweitens: Die Herausforderungen sind in den Städten am größten. Auf dem Land gibt es auch gemessen an der Bevölkerung weniger Zuwanderer.

Umso bemerkenswerter ist eben, dass dort rechte und rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ und die türkise ÖVP besonderen Zuspruch erfahren. Dass die Stadt-Land-Unterschiede beim Wahlverhalten eher immer größer zu werden scheinen. dieSubstanz.at hat hier auf Basis einer „Forsesight“-Erhebung für den ORF anlässlich der EU-Wahl darüber berichtet.

Teil des politischen, aber auch medialen Diskurses ist das Phänomen bis heute kaum bis gar nicht. Diesbezüglich wird eher weiter nur alles auf ein Ausländerproblem zurückgeführt. Es ist einfacher. Ivan Krastev wird insofern bestätigt.

Wie auch immer. Interessant ist zum Beispiel, dass man zwar glauben könnte, dass die Menschen auf dem Land alles in allem glücklicher, zufriedener und zuversichtlicher seien als in den Städten, dass das jedoch falsch ist. Es ist belegt: Befragte aus Österreich, die bei einer Eurobarometer-Erhebung heuer im Frühjahr erklärten, in einer ländlichen Gemeinde zu wohnen, gaben eher an, dass sich ihr Leben in die falsche Richtung entwickle (17 Prozent) als Bewohner großer Städte (elf Prozent). Umgekehrt meinten 65 Prozent der Landbewohner, es gehe in die richtige Richtung. Bei den Stadtbewohnern waren es 80 Prozent.

Ähnlich ist es in Bezug auf die erwartete Entwicklung des Lebensstandards in den kommenden fünf Jahren: In den kleineren Gemeinden rechnen nur 15 Prozent mit einer Verbesserung, in großen Städten tun das zumindest 24 Prozent. Beziehungsweise: In den kleineren Gemeinden befürchtet gut ein Drittel, dass sich der Standard verschlechtern wird, in den großen Städten handelt es sich mit gut einem Viertel um deutlich weniger.

Man könnte auch sagen: Zu den dringlichsten Herausforderungen der Politik gehört ein Programm für den ländlichen Raum, das letzten Endes dazu beiträgt, dass sich die Stimmung dort aufhellt.

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