ANALYSE. Die Regierung klotzt beim Anti-Teuerungspaket so sehr, dass sich selbst Sozialdemokraten und Freiheitliche schwertun, Kritik zu üben. Allein: Die Herausforderungen werden noch größer werden.
Manche Maßnahmen seien zu begrüßen, erklärte SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer zum Anti-Teuerungspaket der türkis-grünen Regierung, es werde jedoch kein einziger Preis sinken. FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach einerseits von einem „Tritt-zurück-Paket“, bezeichnete andererseits aber die Abschaffung der kalten Progression als „längst überfällige Leistungsgerechtigkeitsmaßnahme“. Allein schon die nicht uneingeschränkte Kritik ist bemerkenswert; das kann Karl Nehammer (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) als Bestätigung dafür dienen, einiges vorgelegt zu haben.
Man muss wirklich differenzieren: Einmalzahlungen für Menschen mit wenig Geld entsprechen genauso Anregungen der Wirtschaftsforschungsinstitute wie eine Indexierung von Sozialleisungen (z.B. der Mindestsicherung), die dem Ganzen eine gewisse Nachhaltigkeit verleihen. Darüber hinaus kann man streiten: Die Abschaffung der kalten Progression ist die Umsetzung eines alten Wahlversprechens der ÖVP und die Eliminierung einer schleichenden Steuererhöhung. Ist sie jedoch eine treffsichere Antwort auf die Teuerung? Ja und nein. Man darf nicht vergessen, dass diese zunehmend auch Beziehern mittlerer Einkommen zusetzt, denen die kalte Progression prozentuell die größten Verluste beschert.
Wirklich zweifelhaft ist die Verdoppelung des „Klimabonus“ auf 500 Euro pro erwachsener Person. Er war ursprünglich niedriger (bis maximal 250 Euro) und als Antwort auf die CO2-Bepreisung gedacht. Geht es nach Karlheinz Kopf von der ÖVP, ist jedoch ungewiss, ob sie heuer aufgrund der ohnehin schon hohen Spritpreise überhaupt noch kommen wird (geplanter Starttermin ist derzeit der 1. Oktober). Der Bonus hätte dann seine Grundlage verloren – man könnte ihm ein anderes Mascherl geben. Das ist das eine. Das andere: Er wird einfach allen in gleicher Höhe gewährt, sozusagen mit der „Gießkanne“ ausgeschüttet.
Warum? Weil es hier immer auch um Parteipolitik geht, die auf kommende Wahlen ausgerichtet ist. Ende September findet die Landtagswahl in Tirol statt, es folgen dann bald Niederösterreich, Salzburg und Kärnten. In Summe geht es um 40 Prozent aller österreichischen Wahlberechtigten. Besonders der ÖVP, die in den meisten Ländern vorne liegt, ist bestrebt, hier, beim Teuerungsausgleich, eine Masse zu erwischen. „Wahlzuckerl“ müssen so gesehen sein.
Das leitet jedoch über zu gefährlichen Aspekten: Wie Kai Jan Krainer sagt, wird kein Preis sinken. Das zu bewerkstelligen ist jedoch schwer bis unmöglich. Die Teuerung ist importiert. Sie hängt mit der Entwicklung auf den Energiemärkten zusammen. Zweitens: Gerade SPÖ- und FPÖ-Vorschläge wie die Senkung der Mehrwert- und der Mineralölsteuer wären das Gegenteil von treffsicher. In Relation mögen Bezieher kleinerer Einkommen stärker profitieren, absolut aber mit Abstand Spitzenverdiener. Vor allem aber hat Deutschland gerade die bittere Erfahrung gemacht, dass eine solche Steuersenkung bei den Konsumenten nur zum Teil ankommen kann. Hohen Kosten könnte im schlimmsten Fall also null Wirkung gegenüberstehen.
Das mit dem Preis muss man trotzdem im Auge behalten: Von einer Masse wird Teuerung als Problem nicht so sehr davon abhängig gemacht, wie es ihr gelingt, mit eigenem Geld oder staatlichen Hilfen über die Runden zu kommen; sondern wie sie zum Beispiel an der Tankstelle sichtbar wird. Wenn dort irgendwann 2,500 Euro pro Liter steht, wird der Druck auf die Regierung groß werden, wieder in Aktion zu treten. Sie wird sich gezwungen sehen, das zu tun. Dieses Szenario ist sogar sehr wahrscheinlich: Die Teuerung wird aller Voraussicht nach noch lange anhalten. Und letztlich hat die Regierung bisher immer nachgegeben.
Hat sie aber noch einen Spielraum? Gut, einen solchen gibt es immer. Nehammer, Kogler und Co. sind jetzt aber schon sehr weit gegangen, ohne auch nur ansatzweise erklären zu können, wie die nötige Gegenfinanzierung ausschauen soll: Es gibt keinerlei Ansätze, irgendwelche Steuern einzuführen oder zu erhöhen; oder zu sparen, wo es möglich sein könnte. Im Gegenteil, bisher läuft es ausschließlich auf zusätzlich steigende Ausgaben hinaus, von der Pflege über Sozialleistungen bis zur Verteidigung. Wobei alles dringlich, um nicht zu sagen alternativlos erscheint. Umso wichtiger wäre jedoch ein Fokus darauf, was wirklich erforderlich ist und wo Umschichtungen gehen. Wäre, wie gesagt: Im Weg stehen die baldigen Wahlen und ohnehin schon so miserable Umfragewerte für die Koalitionsparteien, die zusammen kaum noch ein Drittel Zuspruch erfahren, dass Unpopuläres erst recht unrealistisch geworden ist.
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