ANALYSE. Die Regierung ignoriert die Altersversorgung nicht einmal. Das kann nicht gut ausgehen.
So sehr sich die Bundesregierung auf Steuerentlastungen konzentriert, so sehr ignoriert sie die Sicherung der Altersversorgung. Bezeichnendes Beispiel: Seit mehr als einem Jahr gibt es keine Pensionssicherungskommission mehr. Seit 1. Jänner 2017 sollt es stattdessen eine Alterssicherungskommission geben. Beinahe ebenso lange heißt es auf der Website des Sozialministeriums jedoch, dass sich diese „aktuell noch nicht konstituiert“ habe. Sinn und Zweck der Kommission sollte es sein, eine Expertise zum Zustand des Pensionssystems bzw. Hinweise auf allfällige Handlungsnotwendigkeiten zu erhalten. Ohne Kommission kann es diese jedoch nicht geben. Ja, so kann überhaupt kein Problem existieren: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ist so gesehen nur ehrlich gewesen, als er laut der Tageszeitung „Kurier“ auf dem Event einer Bank erklärt hat: „Wir werden die betriebliche und private Vorsorge zusätzlich stimulieren müssen. Denn es wird in keinem Land Europas möglich sein, das zur Gänze und auf Dauer auf rein staatlicher Pension sichern zu können.“
Möglich wäre viel, ohne Reformen aber muss es zum Crash kommen.
Gut, letzteres ist vielleicht ein bisschen übertrieben: Möglich wäre viel, ohne Reformen aber muss es zum Crash des staatlich finanzierten Systems kommen. Aus dem Bundesbudget fließt zusätzlich zu den Versichertenbeiträgen gut ein Viertel in die Pensionsversicherung sowie in die Ruhebezüge öffentlich Bediensteter. Die noch erfreuliche Konjunkturlage trägt dazu bei, dass es nicht mehr ist. Die Aussichten sind – ohne Reformen, wohlgemerkt – jedoch besorgniserregend: Die Babyboomer kommen ins Alter. Bald werden – auf Basis des sogenannten Umlagesystem – nicht mehr drei Erwerbstätige eine Pension finanzieren müssen, sondern nur noch zwei*. Ob sie das schaffen? Schwer. Österreich müsste jedenfalls weiter florieren. Helfen würde etwa eine Anpassung des Pensionsalters an die Lebenserwartung. Damit könnte ein gewisses Gleichgewicht gehalten werden. Allein: Das ist tabu.
„Pensionen für Löger doch tabu.“ („Die Presse“)
Finanzminister Löger hat vor einem Jahr einmal kurz laut an Reformen gedacht, das dann aber zurückgezogen. Titel der Tageszeitung „Die Presse“ von damals: „Pensionen für Löger doch tabu.“ Er versicherte vielmehr, dass man im Budget die finanzielle Absicherung der Pensionen gewährleisten werde. Was offenbar nur befristet gemeint war.
Parteipolitisch gesehen ist diese Liniee nachvollziehbar: Ältere sind längst zu einer entscheidenden Wählergruppe geworden. Die meisten Reformen, wie eben eine Anhebung des Pensionsalters, würden sie zwar gar nicht treffen; sie reagieren bei solchen Debatten in der Regel aber mit der größten Verunsicherung. Und überhaupt: Schwarz-Blau I ist vor allem auch über Pensionsreformen gestürzt. Die Einschnitte von damals haben Anfang der 2000er Jahre mit zum Absturz der FPÖ geführt. Und das will sie nicht noch einmal riskieren. Zu einem extrem hohen Preis allerdings.
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* Korrektur: Die Verhältnisse beziehen sich auf die Anteile 20- bis 64-Jähriger zu ab 65-Jährigen. Sie belaufen sich heute auf etwa 3:1 und schon um 2040 nur noch auf 2:1.