Na und?

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ZAHLEN ZUM TAG. Die Regierung wäre gut beraten, all die „Paradigmenwechsel“ in der Corona-Politik zu erklären. Sonst riskiert sie den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, könnte man meinen, jetzt sei ohnehin alles egal.

Das Gesundheitsministerium weist am 25. Jänner rund 25.000 bestätigte Neuinfektionen in 24 Stunden aus. Vergangene Woche hatte es sich schon einmal um über 30.000 gehandelt. Das waren gut zwei Mal mehr als zur Spitze der vierten Welle im vergangenen und vier Mal mehr als am Höhepunkt der zweiten Welle im vorvergangenen Herbst. Doch lassen wir das. Wichtiger ist die Frage, was das bedeutet. Als Laie sieht man, dass es im Vergleich zur Vergangenheit viel, viel weniger Spitalspatienten, ganz offensichtlich also schwere Erkrankungsverläufe gibt.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat auch schon davon gesprochen, dass mit Omikron ein Paradigmenwechsel einhergehe, ist im Übrigen aber wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ziemlich wortkarg geblieben. Was vorherrscht, sind Signale, die irritierend sind: Einerseits bleibt die Politik bei ihrem Kurs, führt nicht nur die Impfpflicht ein, sondern belässt vorerst auch den Lockdown für Ungeimpfte. Was für sich genommen widersprüchlich erscheint, wenn man sich ohnehin impfen lassen muss; es könnte den Eindruck stärken, dass letzteres nicht ganz ernst gemeint sei. Andererseits wird in einigen Bundesländern das Contact-Tracing eingeschränkt oder überhaupt eingestellt. In der Vergangenheit hätte man in der Not stattdessen wohl irgendwelche Beschränkungen eingeführt. Heute ist das offenbar nicht mehr notwendig. Signal: Es ist egal, wenn sich das Virus ausbreitet.

Die Pandemie verliert an Schrecken. Das könnte sich durch eine neue Variante wieder ändern. Man sollte nichts ausschließen, aber die gegenwärtigen Entwicklungen wirken für eine Masse so beruhigend, dass sich wenige Tage vor Einführung der Impfpflicht nicht mehr Ungeimpfte impfen lassen als bisher (nach wie vor tun das durchschnittlich nur 0,05 Prozent der Gesamtbevölkerung pro Tag). In der Schweiz geht man auch davon aus, dass sich sehr viele Menschen nicht einmal mehr testen lassen. Sie seien überzeugt, dass eine Ansteckung ohnehin keine schlimmeren Folgen hätte. Also schätzt die Gesundheitsbehörde des Kantons Zürich, dass es in Wirklichkeit bis zu vier Mal mehr Infektionen gibt als amtlich festgestellt werden. Ob das in Österreich anders ist?

Für die Politik ist es eine harte Nuss, Veränderungen in der Pandemie und im Umgang damit zu erklären. Sie muss es jedoch tun. Sonst riskiert sie den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, und droht auch die Impfpflicht trotz all der motivationsfördernden Bemühungen zu einem Fiasko zu werden. Sie durchzusetzen ist ohnehin schon viel schwieriger geworden, weil der Nutzen einer Impfung weniger auf eine sichtbare, sondern mehr auf eine mögliche, zukünftige Welle mit einer gefährlicheren Variante ausgerichtet ist.

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