Mit verdeckten Karten

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ANALYSE. Die ÖVP behauptet, drei Viertel der Österreicher:innen wollten beim Staatsbürgerschaftsrecht alles belassen, wie es ist. Belegen mag sie es nicht, obwohl einiges für eine etwas andere Stimmungslage spricht.

Es ist nicht so, dass man Umfragewerte fälschen muss, um ein gefälliges Ergebnis vorlegen zu können. Auf die Fragestellung kommt es an. Die Gratiszeitung „Heute“ berichtete jüngst von einer „großen Umfrage“, die ergeben habe, dass 56 Prozent der Österreicher:innen für eine Asylobergrenze „null“ seien. Das ist durchaus vorstellbar. Erhebungen für „Integrationsmonitoren“, die das Sozialforschungsinstitut SORA (heute Foresight) in den vergangenen Jahren für die Bundesländer Tirol, Oberösterreich und Wien durchgeführt hat, haben allerdings auch gezeigt, dass es eine Mehrheit ausdrücklich als Pflicht betrachtet, Flüchtlinge aufzunehmen und menschenwürdig unterzubringen.

Wie gesagt: Auf die Fragestellung kommt es an. Man will ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ja nichts unterstellen. Auf einer Pressekonferenz hat er gerade wieder einmal den „Österreich-Plan“ seines Vorsitzenden Kanzler Karl Nehammer in Erinnerung gerufen und berichtet, laut einer Umfrage seien drei Viertel dafür, dass beim Staatsbürgerschaftsrecht alles bleibt, wie es ist. Heißt in türkiser Sprache: Einbürgerung erst zum Abschluss eines Integrationsprozesses.

Der „Kurier“ hätte gerne genaueres erfahren zu dieser Untersuchung, musste jedoch vermelden, dass die Umfrage von der Partei nicht offengelegt wird.

Es ist durchaus vorstellbar, dass eine Mehrheit findet, Österreicher:in dürfe nur werden, wer sich nach vielen Jahre eingelebt hat. Würde man jedoch mit Detailfragen kommen, könnte sich viel ändern. Und zwar in dem Sinne, dass nicht wenige erklären: „Na ja, dies und jenes würde ich schon ändern.“

Das Foresight-Institut hat vor einem Jahr in Wien ein paar Einstellungen zu Einbürgerungen erhoben. 1104 Männer und Frauen wurden befragt. Ergebnisse: 68 Prozent stimmten der Aussage zu, hier geborene Kinder, deren zugewanderten Eltern schon lang in Österreich leben, sollten automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen. 52 Prozent sind für ein Wahlrecht nach fünf Jahren. 51 Prozent würden eine Doppelstaatsbürgerschaft erlauben.

Auch von Befragten ohne Migrationshintergrund wurden Veränderungen befürwortet: 65 Prozent sind für die Einbürgerung der Kinder, 48 Prozent für das Wahlrecht. Das ist immerhin noch eine relative Mehrheit: 46 Prozent sind dagegen, der Rest lässt die Sache offen. Einzig in Bezug auf die Doppelstaatsbürgerschaft überwiegt die Ablehnung in dieser Gruppe mit 52 Prozent deutlich. Einer solchen stimmten „nur“ 40 Prozent der Wiener:innen ohne Migrationshintergrund zu.

Natürlich: Die Bundeshauptstadt ist nicht ganz Österreich. Aufgrund ihrer Größe kann die Stimmungslage alles in allem aber schwer so sein, wie es Christian Stocker gerne vermitteln würde.

Abgesehen davon sollte dies nicht übersehen werden: Laut einer Untersuchung der Akademie der Wissenschaften hat ein erheblicher Teil der Zugewanderten gar kein Interesse, Österreicher:in zu werden. Besonders unter Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Länder ist der Anteil hoch. Das ist einerseits nachvollziehbar: Es wird ihnen nicht signalisiert, dass eine Einbürgerung erwünscht ist und sie würden auch kaum Vorteile daraus ziehen. Es wäre jedoch ein integrativer Akt, der zeigt, dass sie voll dazugehören.

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