ANALYSE. Im Zuständigkeitsbereich des Kanzlers und unter dem Dach der „Wiener Zeitung“ sollen künftig ausdrücklich alle zufriedengestellt werden: BürgerInnen genauso wie JournalistInnen und Regierende. Das ist ein Unding.
Abkürzungen von Bundesgesetzen sind auch schon origineller gewesen. Im konkreten Fall lautet sie „WZEVI“. Sie steht für „Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes“. Andererseits: Es handelt sich erst um den Begutachtungsentwurf. Außerdem ist die Bezeichnung nebensächlich. Wichtiger ist das, worum es geht (die Zukunft der „Wiener Zeitung“) und das, was daraus gemacht werden soll (eine Art Gemischtwarenhandlung).
Die „Wiener Zeitung“ soll nach 319 Jahren als Tageszeitung eingestellt werden. Sie soll jedoch nicht verschwinden, sondern so viel Geld erhalten, dass sie digital und wenigstens zehnmal jährlich auch in gedruckter Form weiterbestehen kann.
Außerdem soll sie – unter politischer Verantwortung des Bundeskanzlers, der für die Vollziehung des WZEVI-Gesetzes zuständig ist – dies und jenes machen, was summa summarum von mangelndem Demokratieverständnis zeugt und eher dem Geiste von „Message Control“ entspricht: Sie soll sich um die Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten kümmern, Informationsangebote zu gesellschaftlichen und demokratiepolitischen Themen bereitstellen und eine „Content Agentur“ des Bundes bilden.
Problem eins: Auch wenn die JournalistInnen-Aus- und Weiterbildung durch einen wissenschaftlichen Beirat begleitet werden soll, soll sie in der öffentlichen Hand liegen, die grundsätzlich nicht über jeden Verdacht erhaben ist, nicht (partei-)politisch motiviert zu agieren.
Problem zwei: Für diese Aus- und Weiterbildung, die in einem „Media Hub Austria“ erfolgen soll, soll der Finanzminister sechs Millionen Euro pro Jahr überweisen. Das wird es unabhängigen Einrichtungen erschweren, daneben weiterhin existieren zu können. Womit es auf ein staatliches Monopol zur JournalistInnen-Aus- und Weiterbildung hinauslaufen könnte.
Problem drei: Im Auftrag des Bundes soll die „Wiener Zeitung“ laut Begutachtungsentwurf in einer Agentur „Content für Informationen im öffentlichen Interesse aufbereiten und über unterschiedliche Kanäle verbreiten“. Also PR-Texte liefern, die dem Kanzler, einzelnen Ministerinnen oder allen zusammen gefallen.
Das ergibt diese Art Gemischtwarenhandlung, in der Dinge angeboten werden, die nichts miteinander zu tun haben. Ja, es ist noch schlimmer: Hier sollen Ziele erreicht werden, die nicht nur nichts miteinander zu tun haben, sondern die einander auch immer wieder widersprechen müssen.
Zum Begutachtungsentwurf sind diese Ziele angeführt: Sie reichen von einer „hohen Zufriedenheit der Bürgerinnen/Bürger mit dem Informationsangebot“ über einen „hohen Nutzen für österreichische Journalistinnen/Journalisten“ bis zu einer „hohen Zufriedenheit des Bundes und Unternehmen des Bundes mit den Content- und Agenturleistungen der Content-Agentur Austria“. Ziele, wie zum Beispiel „Beiträge zu einer kritischen Öffentlichkeit, die sich selbst eine Meinung bilden und möglichst gut informiert Wahlentscheidungen treffen kann“, sucht man hingegen vergeblich. Darauf würde es jedoch ankommen, wenn schon von Journalismus die Rede ist.
In Wirklichkeit müsste es so sein: Was Journalistinnen und Journalisten nützt, steht (eher) in einem Spannungsverhältnis zu dem, was Regierenden gefällt. Und „Content“, der Regierende zufriedenstellt, sollte JournalistInnen, aber auch BürgerInnen grundsätzlich misstrauisch machen. Allein von daher gehört alles, was hier als Aufgaben der „Wiener Zeitung“ zusammengefasst ist, radikal getrennt und die JournalistInnen-Aus- und -Weiterbildung überhaupt so weit aus dem Einflussbereich der Politik genommen, dass nicht einmal ein Anschein entstehen kann.