ANALYSE. Der FPÖ-Chef fordert das Gegenteil dessen, was der Papst gelebt hat. Das gehört betont, weil er dessen Wirken so umfassend würdigt – und es bezeichnend ist für seine Unaufrichtigkeit.
Es entspricht dem, was Herbert Kickl vermittelt: Konsequenz. Nicht zuletzt daher gehört sie gerade auch in Bezug auf ihn selbst praktiziert. Also: Vor wenigen Wochen war er stolz drauf, dass ihn Donald Trump zu dessen Amtseinführung als US-Präsident eingeladen hat. Auch die Beschimpfung Europas durch Trump-Vize JD Vance hat ihm gefallen. Immer deutlicher wird freilich, dass er hier auf der falschen Seite der Geschichte steht: Trump ist ein Blender sowie ein Gefährder in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaat, ja globale Wirtschaft und Finanzen. Sprich: Kickl sieht sich als Partner des Mannes, der Chaos verursacht.
Umgekehrt hat er jetzt auch das Wirken von Papst Franziskus gewürdigt: Mit „großer Menschlichkeit und unermüdlichem Engagement“ sei dieser tätigt gewesen, so der FPÖ-Chef in einer Aussendung: „Seine Stimme war stets eine Stimme der Vernunft und des Gewissens – in einer Zeit der Krisen, in der viele nach Orientierung suchen (…) Sein Einsatz für soziale Gerechtigkeit, seine klaren Worte gegen Ausgrenzung, Armut und Umweltzerstörung sowie sein stetiger Appell zu Frieden und Dialog haben weltweit Wirkung gezeigt. Er war ein Papst der Nähe, ein Pontifex, der Brücken baute – zwischen Menschen, Religionen und Kulturen.“
Darüber kann man sich wundern: Franziskus stand für das glatte Gegenteil von ihm, war, wenn man so will, ein Linker: Nicht nur in Bezug auf das Brückenbauen zwischen Menschen, Religionen und Kulturen, also zwischen Christen und Muslimen etwa, oder zwischen, sagen wir, Arabern und Europäern, sondern auch in Bezug auf Menschlichkeit und Ausgrenzung.
2013, wenige Monate nach seinem Amtsantritt, hat Franziskus Lampedusa besucht, um an die ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer zu erinnern und um „die Globalisierung der Gleichgültigkeit“ zu geißeln: „Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es ist nicht unsere Sache.“
Später hat er in einem Brief von der „Schande einer Gesellschaft“ gesprochen, „die nicht zu weinen und mit anderen mitzufühlen weiß“. Ja: „Wir brauchen eine neue Haltung. Die Geschwister, die an unsere Tür klopfen, verdienen Liebe, Aufnahme und Fürsorge.“
Kickls Problem: Franziskus war auf seine Art konsequent. Wenige Tage vor seinem Tod hat er auch Häftlinge in einem römischen Gefängnis besucht. Die Fußwaschung konnte er zwar nicht mehr vornehmen, er wollte ihnen aber nahe sein. Das war Ausdruck von Menschlichkeit, wie ihn ein Papst stärker kaum liefern könnte.
Wie auch durch den Besuch auf Lampedusa. Wenn Kickl sein Tun insgesamt würdigt, würdigt er im Grunde genommen auch das. Es handelte sich um keine Beiläufigkeiten für Franziskus, sondern um zentrale Bestandteile seines Tuns: Er wusste, wenn seine Möglichkeiten für Veränderungen innerhalb der Kirche schon begrenzt sind wegen der vielen Gegner, die er in der Kurie hatte, dann konnte er zumindest so Signale setzen.
Natürlich würdigt Kickl das nicht aufrichtig. Seine Worte können nur falsch sein, schließlich sieht er, der Mauern und eine Festung Österreich errichten will, in den Menschen, die „an unsere Tür klopfen“, keine Geschwister, sondern Wesen, denen es mit aller Härte zu begegnen gilt. Denen möglichst gezeigt werden soll, dass sie unerwünscht sind, die keine Gelegenheit erhalten sollen, einen Asylantrag zu stellen, sondern an der Grenze zurückgewiesen werden sollen. Deren Schicksal ihm vollkommen egal ist.
Papst Franziskus sagte: „Eine Person die nur daran denkt, Mauern zu bauen, wo auch immer diese sein mögen, und nicht Brücken zu bauen, ist kein Christ.“