(K)eine Klimakrise

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ANALYSE. Hitzeperioden, unterbrochen durch Unwetterkatastrophen: Warum man trotzdem nicht mehr davon ausgehen kann, dass Notwendiges wahlentscheidend wird.

Erst Hitze, dann sintflutartige Regenfälle und Murenabgänge. Zumindest dieses „Hat es immer schon gegeben“ ist gefühlt immer seltener zu hören. Wenn ein Abschnitt der Silvretta-Hochalpenstraße in einer Gerölllawine verschwindet und dann ein paar Wochen später Bagger, die hier eingesetzt werden, in einer weiteren Gerölllawine versinken, dann wird man schwer Vergleichbares finden in der Geschichte; jedenfalls nicht in dieser räumlichen Dichte und mit dieser Häufung über den gesamten Alpenraum hinweg.

Die Klimakrise findet statt. In Wien liegt die mittlere Tagestemperatur schier dauerhaft weit über dem Niveau der Periode 1961 bis 1990. Im August bisher mit 25,2 um 4,9 Grad Celsius, wie Daten der „GeoSphere Austria“ zu entnehmen ist. Zum bisher letzten Mal unter Niveau war die Temperatur im April des vergangenen Jahres. Da war das aber auch nur eine Ausnahme und die Abweichung belief sich auf bescheidene 0,9 Grad.

Von der Papierform her müsste die Klimakrise zu den wahlentscheidenden Themen gehören. Zu viel spricht jedoch dagegen. Erstens: In Zeiten multipler Krisen gehen immer mehr Menschen davon aus, dass sich die Lebensverhältnisse in den kommenden Jahren verschlechtern werden. Damit geht etwas Verhängnisvolles einher: Aufgabe oder Resignation.

Zweitens: Dass stattdessen eher Asyl-, Migrations- und Sicherheitsthemen den Wahlkampf bestimmen dürften, ist kein Widerspruch dazu. Mit ÖVP und FPÖ sorgen zwei größere Parteien dafür, dass nicht nur im Chronik-, sondern auch im Politikteil darüber berichtet wird. Und: Eine Lobby, die das in vergleichbarer Weise in Bezug auf das Klima durchsetzen könnte, gibt es nicht.

Drittens: Der Diskurs ist vergiftet. Kampfbegriffe wie „Klimaterroristen“, wenn es um Aktivisten, oder „Ideologie“, wenn es um mögliche Maßnahmen geht, haben dazu beigetragen.

Viertens: Ziel des Ganzen ist es, Leuten einzureden, dass man weiterleben könne wie bisher; dass man sich das nicht nehmen lassen dürfe. Das ist etwas, was sich über viele Themen erstreckt. Migration bedroht bei diesem Zugang „Normalität“, Klimapolitik gefährdet die Art und Weise, wie man lebt und womit man aus Gewohnheit zur Arbeit fährt im sogenannten „Autoland“.

Fünftens: Wissenschaft und Medien etwa können da schwer gegenhalten. Sie sind spätestens seit Corona diskreditiert. Sie sind zu schwach: Was in der politischen Arena nicht behandelt werden mag, wird dort nicht behandelt. Das geht durch. Um das noch bei etwas ganz anderem darzustellen: Fiskalratschef Christoph Badelt, WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr und viele andere haben jüngst auf die Notwendigkeit hingewiesen, das Budget zu sanieren. Antwort Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP): Es gebe keine Notwendigkeit, das Budget zu sanieren. Folge: Thema erledigt.

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