ANALYSE. Die ökosoziale Steuerreform wird nicht zu weniger, sondern zunächst eher zu mehr Emissionen führen. Ausschlaggebend dafür sind verhängnisvolle Anreize.
Die Grünen haben den Einstieg in eine CO2-Bepreisung durchgesetzt, der Preis dafür ist jedoch hoch; und zwar verhängnisvoll hoch. These: Zunächst werden nicht weniger, sondern eher sogar mehr Emissionen provoziert. Ausschlaggebend dafür sind die Beibehaltung klimaschädlicher Förderungen sowie die massiven Entlastungen, die auf Wunsch der ÖVP alle Ökologisierungsschritte vergessen machen.
Ein Beispiel: Im Haushalt einer vierköpfigen Familie in der Bregenzerwälder Gemeinde Schwarzenberg (Vorarlberg) wird, wie in der Gegend üblich, mit Holz geheizt. Das bleibt unverändert günstig. Recht günstig bleibt auch das Autofahren. Angenommen, die Familie bringt es mit ihren beiden Mittelklassewagen auf insgesamt 30.000 Kilometer im Jahr. Dann wird der Sprit bei einem CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne um keine 200 Euro mehr kosten.
200 Euro sind grundsätzlich nicht nichts, aber halt relativ: Nimmt man ein AK-Rechenbeispiel, wonach der Mann 3600 Euro und die Frau 1900 Euro brutto verdient, bleiben ihrem Haushalt aufgrund all der vorgesehenen Steuersenkungen (inkl. Familienbonus für die beiden Kinder) um 2172 Euro mehr pro Jahr. Sprich: Rund 200 Euro mehr für Sprit werden eher locker weggesteckt; und selbst wenn die CO2-Bepreisung zwei Mal größer wäre, die daraus resultierende Belastung also 400 Euro ausmachen würde, dann wäre das noch immer vernachlässigbar. Rhetorische Frage: Welchen Anreiz soll diese Familie haben, weniger Auto zu fahren bzw. zu tanken? Es ist eher ein – indirekter – Anreiz, mehr Sprit zu verbrauchen: Weil der Preis in Relation zum verfügbaren Einkommen an Gewicht verliert, wird man weniger darauf achten; es ist dann – zugespitzt formuliert – doch vollkommen egal, ob eine Tankfüllung 70 oder 75 Euro kostet.
Es kommt noch schlimmer: Nicht nur, dass doppelte und in einigen Teilen Österreichs sogar dreifache Pendlerförderungen (Pendlerpausche, Pendlereuro, zusätzliche Pendlerhilfe z.B. Niederösterreichs) sowie das Dieselprivileg bleiben werden, es wird ja zusätzlich ein bedingungsloser Klimabonus eingeführt. Um bei der Familie in Schwarzenberg zu bleiben: In ihrem Fall bringt das weitere 600 Euro pro Jahr. Auf Basis der von ÖVP und Grünen vereinbarten Systematik ist ihre Gemeinde von der Statistik Austria entsprechend eingestuft worden. Würden sie im benachbarten Dornbirn leben, müssten sie sich mit 399 Euro begnügen.
Das führt zur nächsten Fragwürdigkeit: Die beiden Gemeinden sind durch einen Berg getrennt, halbstündlich verkehrt über die Passstraße jedoch ein Bus, Fahrzeit gerade einmal rund 15 Minuten. Für österreichische Verhältnisse ist das außerordentlich gut, wäre die Benützung jedenfalls eher zumutbar als etwa im niederösterreichischen Göstling, wo nicht einmal stündlich ein Bus vorbeikommt, die Fahrzeit in den nächstgrößeren Ort (Waidhofen an der Ybbs) gut 50 Minuten beträgt und der Klimabonus gleich hoch ist wie in Schwarzenberg. Aber das ist jetzt müßig: Hier entsteht schlicht und ergreifend kein Lenkungseffekt im Sinne des Klimaschutzes; im Gegenteil.
Das Problem ist, dass das für eine Masse so ist, auch in Haushalten mit niedrigerem Einkommen und in anderen Regionen werden höhere CO2-Preise eher leistbar. Ja, sogar das gut gemeinte 1-2-3-Ticket, das nunmehr Klimaticket heißt, wird zu einer freundlichen Geste des Staates degradiert, das man annehmen kann, aber nicht muss, so lange es gut und künftig – gemessen am verfügbaren Einkomme – sogar preiswerter möglich ist, mit einem Auto mit Verbrennungsmotor unterwegs zu sein.
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