Ka Haus baut

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ANALYSE. Warum sich die ÖVP auch selbst einen Dienst erweisen würde, klassisches Eigentum als Ideal schlechthin aufzugeben.

„Normalverdiener müssen sich Eigentum leisten können“, sagt die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) immer und immer wieder. Zuletzt hat sie bei dieser Gelegenheit stets die Finanzmarktaufsicht aufgefordert, Kreditvergaberichtlinien, die durch die „KIM-Verordnung“ verschärft worden sind, zu lockern. Damit hat sie den Eindruck vermittelt, dass diese das Problem seien. Laut einer Untersuchung der Nationalbank ist das jedoch nicht der Fall. Mikl-Leitner wird sich also einen neuen Sündenbock suchen müssen.

Besser und letzten Endes vor allem auch in ihrem eigenen Interesse wäre es freilich, die Landeshauptfrau und andere Vertreterinnen und Vertreter der Volkspartei würden sich von klassischem Eigentum als Ideal schlechthin verabschieden. Sie tun sich selbst nichts Gutes damit, am Haus mit Garten festzuhalten.

Eine Datenauswertung zu Hauptwohnsitzwohnungen nach Rechtsverhältnis in Österreich zeigt, dass die Zahl der Hauseigentümer seit Ende der 2000er Jahre bei rund eineinhalb Millionen stagniert. Bis dahin hatte sie sich – mit steigender Tendenz – ähnlich entwickelt wie die der Mieter. Deren Zahl ist seither jedoch auf 1,8 Millionen davongezogen. Weiter gestiegen ist daneben zwar auch noch die Zahl der Wohnungseigentümer, sie beträgt aber nur gut eine halbe Million.

Ein Grund ist natürlich die Immobilienpreisentwicklung: Ein Hausbau ist für eine noch größere Masse unerschwinglich geworden. Vor allem, wenn es ausschließlich aus einem Erwerbseinkommen finanziert werden sollte.

Von wegen „Normalverdiener müssen sich Eigentum leisten können“: Laut einer Nationalbank-Erhebung wird Eigentum erst ab einem überdurchschnittlichen Einkommen zur Normalität; ist Vermögen, das in der Regel durch Eigentum gebildet wird, daher auch eher nur etwas, was in der oberen Hälfte der Gesellschaft angesiedelt ist (siehe Screenshot).

Warum aber sollte man es trotzdem nicht mehr als das Ideal schlechthin pflegen, warum wäre es auch im Sinne der ÖVP, das aufzugeben? Ganz einfach: Für sehr viele Menschen in Österreich ist es zur bitteren Erkenntnis geworden, es nicht mehr erreichen zu können. Damit geht nicht selten das Gefühl einher, dass alles schlechter wird. Was wiederum ein Nährboden für rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ ist. Wenn „Miete“ eine akzeptierte Option wäre, für die man sich nicht genieren muss, wäre das vielleicht weniger der Fall.

Natürlich hat Eigentum seine Vorteile, kann man Gutes darin sehen, wenn es für Einzelne ein erstrebenswertes Ziel ist. Wenn es sich aber um das klassische Einfamilienhaus handelt, ist es bei Preisen von weit über 500.000 Euro in Ballungsräumen von Wien über Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck bis ins Rheintal im äußersten Westen für mindestens 90 Prozent der Leute zu einer Illusion geworden. Zweitens: Es ist abgesehen davon kein ganz unproblematisches Ideal. Es steht zum Beispiel auch für Zersiedelung und eine sehr hohe Bodenversiegelung pro Kopf.

Abgesehen davon könnte man gegen Eigentum in die Waagschale werfen, dass es Lebensrealitäten immer öfter widerspricht. Mit 15 ins Berufsleben einsteigen, Geld verdienen und sparen, mit 20 heiraten, Familie gründen, Haus bauen, bis 50, 60 einen Kredit abzahlen und ein Leben lang an einem Ort wohnen, ist längst zur Ausnahme geworden.

Berufsleben und Familiengründung beginnen um gut zehn Jahre später, weil zunächst mehr Bildung, Karriere und vielleicht auch Freiheit angesagt sind. Der Punkt ist, dass sich mit Mitte 30 die Frage nach einem größeren Kredit mit 30-jähriger Laufzeit kaum noch stellt. Dass abgesehen davon zunehmende Mobilität bis ins hohe Alter auch wachsende Flexibilität in Bezug auf den Wohnort mit sich bringt. Schlecht? Bei weitem nicht nur.

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