Aussetzen ist gut, streichen wäre besser

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ANALYSE. Wie erwartet wird mit der Impfpflicht vorerst nicht ernst gemacht. Gerade wenn man mit einer hohen Durchimpfungsrate in den kommenden Winter gehen möchte, sollte man jedoch ganz drauf verzichten.

Ankündigung und Einführung der Corona-Impfpflicht haben nicht nur nichts gebracht, sie waren kontraproduktiv. Wie auch vorhergehende Versuche, Druck auszuüben. Seit dem Lockdown für Ungeimpfte lassen sich immer weniger Menschen erstimpfen, seit Inkrafttreten der Impfpflicht läuft es überhaupt mau, handelt es sich nur noch um ein paar hundert pro Tag bzw. ein Hundertstelprozent der Gesamtbevölkerung.

„Menschen mögen es nicht, wenn Druck auf sie ausgeübt wird, gerade im sehr persönlichen Bereich der Gesundheit. Bei einem Teil löst das eine Abwehr aus, die tiefverhaftet ist. Diese Überlegungen betreffen vor allem die Impfpflicht, lassen sich aber auch auf den Lockdown für Ungeimpfte übertragen, der ja auch mit Druck arbeitet“, sagt der Verhaltensökonom Florian Spitzer vom Institut für Höhere Studien (IHS).

Die Impfpflicht wurde Mitte November vom damaligen Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), Ex-Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und den Landeshauptleuten angekündigt, nach Beschlussfassung durch National- und Bundesrat trat sie vor etwas mehr als einem Monat in Kraft. Aber zahnlos, ohne Strafen. Sie wären ab Mitte März geplant gewesen, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grünen) haben nun jedoch unter Verweis auf Experten mitgeteilt, dass sie ausgesetzt wird. Bei der vorherrschende Omikron-Variante sei sie nicht verhältnismäßig. In drei Monaten soll wieder entschieden werden.

Das Problem ist damit aufgeschoben: Eine Infektionswelle mit einer neuen Virus-Variante im kommenden Herbst ist nicht sicher, gilt aber als so wahrscheinlich, dass man sich darauf einstellen sollte. Eine hohe Durchimpfungsrate wäre dann in jedem Fall gefragt. Allein: Zumal es sich um eine ungewisse Entwicklung in sechs Monaten handelt, wird eine Impfpflicht schon in drei Monaten schwer als verhältnismäßig wieder in Kraft gesetzt werden können.

Viel schwerwiegender sind jedoch die grundsätzlichen Schwierigkeiten: Die Impfpflicht ist im November nicht so sehr sachlich, sondern vielmehr politisch motiviert fixiert worden. Sie hat bereits verhärtete Haltungen nur noch weiter verhärtet. Weil es zuvor schon verabsäumt worden war, einer ernsthafte Informationskampagne durchzuführen, die auf unterschiedliche Motivlagen eingeht, haben sich nicht-impfbereite Menschen in weiterer Folge erst recht nicht impfen lassen.

Diesen Schaden wiedergutzumachen ist schwierig, mit der Impfpflicht wird es auch nach der dreimonatigen Ruhephase, in der sich Haltungen wieder ein bisschen entspannen könnten, nicht viel einfacher werden. Man sollte eher die Zeit nützen, versäumte Aufklärungsarbeit aufzunehmen. Zumal aus heutiger Sicht auch so eine Durchimpfungsrate von rund 80 Prozent möglich erscheint: Bisher haben sich 76 Prozent aller Menschen, die in Österreich leben, zumindest einmal impfen lassen. Das ist nicht nichts.

Abgesehen davon bleibt eine Million Erwachsene, die von der Impfpflicht betroffen sind, diese jedoch ignorieren. Würde man ihnen gegenüber ernst machen, was man bei Aufrechterhaltung der Pflicht tun müsste, würde man einen gesamtgesellschaftlichen Konflikt riskieren, der im schlimmsten Fall mehr kostet als er bringt.

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