ANALYSE. Der Gemeindebund zeigt sich um den Datenschutz besorgt. Das ist wirklich ein Problem, es gibt jedoch Lösungen, die vielen Staaten helfen, damit zurecht zu kommen. Man muss nur wollen.
Seit Jahren ist die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. die Einführung einer Informationsfreiheit angekündigt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) konnte bisher kein Ergebnis vorlegen. Die Grünen werden ungeduldig, nicht zuletzt Länder und Gemeinden legen sich quer. Wobei man mit Schuldzuweisungen vorsichtig sein muss.
Im Ö1-Journal zu Gast sah Gemeindebundpräsident Alfred Riedl (ÖVP) zuletzt den Datenschutz als Problem: Die schwierigsten Debatten gebe es mit Datenschutzvertretern, die Kommunen wollten nicht aufgerieben werden zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz. Abgesehen davon, dass Datenschutzvertreter zurückweisen, das Vorhaben abzulehnen, sprach Riedl ein Problem an, das schon vielfach ausdiskutiert ist und für das es auch Lösungen gibt. Bezeichnender: In den vielen Ländern, in denen Informationsfreiheit gelebt wird, hat man Wege gefunden, mit diesem Problem zurecht zu kommen. Nur in Österreich will man sich schwertun damit.
Zum ursprünglichen Begutachtungsentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz liegen erhellende Stellungnahmen vor. So bestätigte der Datenschutzrat „ein Spannungsverhältnis“ zum Grundrecht auf Datenschutz. Zumal dieses dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen auf verfassungsrechtlicher Ebene „gleichrangig“ gegenüberstehen würde. Das Unionsrecht sehe jedoch einen Gestaltungsspielraum vor. So enthalte die Datenschutz-Grundverordnung (Art. 86) eine Öffnungsklausel für die Erlassung von Rechtsvorschriften über den Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten.
Genau das leitet über zum österreichischen Problem: Im erwähnten Begutachtungsentwurf wurde die Abwägung zwischen den beiden Grundrechten laut Datenschutzrat „nicht näher ausgestaltet“. Zitat: „Damit bleibt es zur Gänze der Vollzugsebene (z.B. einer Gemeinde; Anm.) überlassen, einen Ausgleich zwischen der Informationsfreiheit und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten (sowie anderen, der Informationsfreiheit gegenläufigen Rechten Dritter) zu schaffen.“ Gerade weil die beiden Grundrechte „einen relativ weiten Spielraum für Einschränkungen zum jeweils anderen Zweck ermöglichen, erscheint es (jedoch) geboten, diesen Spielraum näher auszugestalten“.
Die Datenschutzbehörde würde sich in ihrer Stellungnahme sogar anbieten, an Lösungen in der Praxis mitzuwirken: Wenn etwa das Auskunftsbegehren eines Bürgers abgelehnt wird, könnte sie als Ombudsstelle tätig werden; oder als entscheidende Behörde zweiter Instanz (als dritte Instanz wäre demnach ein Verwaltungsgericht denkbar). Europaweit sei es jedenfalls „nicht unüblich“, Agenden des Datenschutzes und der Informationsfreiheit zum gemeinsamen Vollzug zusammenzufassen. Das sei „zum Beispiel“ in Deutschland, Großbritannien, Ungarn, Italien, Zypern, Tschechien und Griechenland der Fall.
Die ganze Geschichte ist bezeichnend: Lösungen sind eher nur eine Frage des Wollens. Doch was das Wollen betrifft, hapert es ganz grundsätzlich: Schon die sehr offen formulierten Einschränkungen der Informationsfreiheit, vor allem aber das Fehlen eines Informationsfreiheitsbeauftragen, der Bürgerinnen und Bürgern zur Seite stehen könnte, lassen daran zweifeln, dass hier eine echte Überwindung des Amtsgeheimnisses geplant ist. Konstruierte Datenschutzprobleme sind dazu angetan, diese Zweifel zu stärken.
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