ANALYSE. Nicht nur von Sebastian Kurz ist nichts mehr zu hören. Zum Beispiel auch Werner Kogler scheint abgetaucht zu sein: Was ist los mit den Grünen?
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) kann einem schon auch leidtun: Er ist wohl der Regierungsvertreter, der in den vergangenen Tagen die größte Präsenz hatte in der Öffentlichkeit. Zu schreiben, er habe es genossen, wäre falsch: Faßmann wurde für das Chaos an den Schulen abgewatscht und zumindest in sozialen Medien immer wieder zum Rücktritt aufgefordert. Keine Frage: Gute Figur hat er nicht gemacht. Im Gegenteil. Eine solche war beim besten Willen aber auch unmöglich.
Zur Erinnerung: Bis Donnerstagabend schloss die ÖVP mit Bundeskanzler Alexander Schallenberg im Vorder- und Altkanzler Sebastian Kurz im Hintergrund einen österreichweiten Lockdown aus. Freitagmorgen verkündete Schallenberg einen solchen ab darauffolgendem Montag. Zweitens: Auf jener Pressekonferenz am Achensee erklärte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), die Schulen würden offenbleiben. Schallenberg fügte wenig später hinzu, die Eltern sollten ihre Kinder zu Hause behalten. Das ist keine Grundlage für einen Bildungsminister, auch nur halbwegs brauchbares Krisenmanagement zu leisten.
Hätte sich Faßmann all die Pleiten und Pannen ersparen wollen, er hätte Schulschließungen fordern müssen. Rein als Bildungs-Minister spricht es für ihn, dass er das nicht getan hat.
Viel mehr sollte man sich dieser Tage mit dem auseinandersetzen, was fehlt; bzw. mit denen, die abgetaucht sind: 8,9 Millionen Menschen in Österreich befinden sich in einem Lockdown und rätseln darüber, wie’s weitergehen soll. Schallenberg lieferte im Bundesrat, wo er auftreten musste, nur eine Ahnung: Für Ungeimpfte soll es ungemütlich bleiben. Und sonst? Zu diesem Lockdown gibt es kein Ziel, außer einem Enddatum. Die Erfahrung lehrt, dass das unzureichend ist. Was ist, wenn die Intensivstationen überlastet bleiben und die Inzidenz bestätigter Infektionen mit, sagen wir, 750 Mitte Dezember noch immer extrem hoch sein wird? Wäre das egal?
Außerdem weiß man – z.B. von WHO-Empfehlungen – dass in den nächsten Monaten auch Geimpfte gewisse Regeln im Sinne eines Lebens mit Corona befolgen sollten. Abstand halten, Hände waschen, Maske tragen und sich vor größeren Gesellschaften am besten auch testen lassen. Gibt es dazu irgendwelche Vorstellungen? Unbekannt.
Darüber kann man sich wundern: Bei der ÖVP entspricht es dem Grundsatz, dass die Pandemie eigentlich schon vorbei sein müsste, man sie also am besten gar nicht mehr wahrnehmen sollte. Sebastian Kurz bleibt dem treu. Auf Twitter gibt es von ihm seit vielen Wochen keinen Beitrag mehr zum größten Problem, das die 2. Republik je zu bewältigen hatte.
Aber bei den Grünen? Wie Faßmann kann einem auch Gesundheitsminister Mückstein neben allem Unverständnis ein wenig leidtun: Er ist Arzt, kein Politiker. Als solcher müsste er einerseits Mehrheiten für konkrete Vorhaben organisieren und andererseits öffentlich klar kommunizieren. Beides ist nicht nur nicht das Seine, sondern unendlich schwer. Ein Gesundheitsminister hat im föderalen Österreich traditionell wenig zu melden, ein Grüner gegenüber einer türkisen Übermacht, die im Übrigen konträre Ziele verfolgt, noch weniger. Was soll er da schon klar und deutlich kommunizieren können für die Öffentlichkeit?
Umso bemerkenswerter ist, dass von Vizekanzler Werner Kogler oder auch Klubobfrau Sigrid Maurer so gut wie nichts mehr wahrzunehmen ist. Sie verstärkten den Außeneindruck, dass Mückstein allein und verloren ist und dass ihnen zum Beispiel auch das ganze Chaos an den Schulen vollkommen egal ist.
Theoretisch würden die ungeklärten Verhältnisse bei der ÖVP den Grünen sehr viele Möglichkeiten geben, Akzente zu setzen. Praktisch ist von der Sebastian Kurz-Ablöse als Kanzler, die sie durchgesetzt haben, ganz offensichtlich aber ein Trauma geblieben. So als würden Kogler und Co. glauben, zu weit gegangen zu sein und sich nun umso mehr um neues Wohlgefallen bei der türkisen Führungsriege (also eigentlich Sebastian Kurz allein) bemühen zu müssen.
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