ANALYSE. Zum SPÖ-Parteitag: Will sich die Vorsitzende behaupten, muss sie irgendwann die innenpolitische Themenhoheit erkämpfen. Erste Versuche sind wenigversprechend, die Arbeitszeitflexibilisierung eignet sich jedenfalls nicht mehr dazu.
Seit Pamela Rendi-Wagner vor zwei Monaten den Weg an die SPÖ-Spitze angetreten ist, hat sie sich in der politischen Debatte rar gemacht. Ihre Genossen können sich im besten Fall damit beruhigen, dass ein bisschen Strategie dahinter steckt: Demnach schafft sie zunächst intern Ordnung und haushaltet im Hinblick darauf, dass es bis zur nächsten Nationalrat noch sehr weit ist, mit ihren Außenauftritten überhaupt sehr zurückhaltend. Andererseits geht damit jedoch auch die Gefahr einher, dass die Sozialdemokratie quasi einschläft und dann, wenn es nötig wäre, nicht mehr auf die Beine kommt.
Schaut man genauer hin, ist es jedoch spannend, festzustellen, wo sich die SPÖ unter Rendi-Wagner, die an diesem Wochenende auch offiziell zur Bundesvorsitzenden gewählt werden soll, besonders zurückgehält und wo sie nun ganz offensichtlich ihre Schwerpunkte setzen möchte.
Nicht wahrnehmbar ist die Sozialdemokratie weiterhin zu allem, was mit Flüchtlingen und Migration im weitesten Sinne zu tun hat: Halb Österreich diskutiert über den UN-Migrationspakt, ein Teil kritisiert, dass Schwarz-Blau diesen ablehnt – Rendi-Wagner positioniert sich nicht klar und unmissverständlich dazu. Der Bundeskanzler wird in Vorarlberg mit Protesten im Zusammenhang mit einer Abschiebung konfrontiert – Rendi-Wagner greift das nicht auf.
ÖVP und FPÖ legen in erpresserischer Weise („So oder gar nicht“) ein Kopftuchverbot für Volksschulen vor – von Rendi-Wagner kommt ein „Jein“. Sie wäre grundsätzlich dafür, aber nur im Rahmen eines umfassenderen Integrationspaketes. Dafür würde einiges sprechen: So lange sie es aber nicht schafft, eine Geschichte oder ein Framing zu diesem Thema zu entwickeln, das ein eingängiges Kontrast- zum Schwarz-Weiß-Programm der Regierungsparteien steht, steht sie damit auf verlorenem Posten.
Die Metaller haben sich die Arbeitzeitflexibilisierung abkaufen lassen. Damit ist das Thema erledigt.
Um ein solches Kontrastprogramm, das eben unterstreicht, dass es auch eine andere Integrationspolitik geben könnte, die möglicherweise attraktiver ist als die von Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ), wird Rendi-Wagner nicht umhinkommen. Die politische Agenda wird von diesen beiden bestimmt – und solange sie mit ihren Geschichten dazu durchkommen, werden sie auch dabei bleiben.
Andere Themen sind dagegen schwer zu setzen. Arbeitszeit mag auf dem SPÖ-Parteitag eine große Rolle spielen, vor allem im Zusammenhang mit der Flexibilisierung schaffen die Gewerkschafter jedoch Fakten: Indem die Metaller stolz darauf verweisen, 100-prozentige Zuschläge auf die elfte und zwölfte Stunde erreicht zu haben, haben sie sich indirekt auch den „Zwölf-Stunden-Tag“ abkaufen lassen und ihn akzeptiert; damit hat sich das Thema für die SPÖ und Rendi-Wagner erledigt.
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