ANALYSE. Die nächste Regierung werde ein Sparpaket schnüren müssen, sagen Experten. These: Sie wird darauf pfeifen. Italien und Ungarn machen’s vor.
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr weist genauso darauf hin wie Fiskalratspräsident Christoph Badelt: Zumal die jährliche Neuverschuldung Österreichs auf mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung springe, werde nach der Wahl ein Sparpaket nötig sein. Sie verwenden sogar ausdrücklich diesen Begriff, der vor 20, 30 Jahren noch sehr gebräuchlich war. Hintergrund waren „Maastricht-Kriterien“. Europäischer Druck, sozusagen. Auch jetzt gibt es einen solchen: In den „Länderspezifischen Empfehlungen“ teilt die EU-Kommission mit, dass der gesamtstaatliche Haushalt zu sanieren wäre. Je nachdem, ob man sich vier oder sieben Jahre Zeit dafür nimmt, betrage der Anpassungsbedarf mit steigender Tendenz 2025 beginnend zunächst eineinhalb oder 2,6 Milliarden Euro.
Zumindest in der gegenwärtigen Regierung will man derlei nicht einmal ignorieren. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) meinte jüngst bei einem Pressegespräch, dass er mit einer Entspannung rechne: In den Krisen habe es viele „Notwendigkeiten“ gegeben, die nun wegfallen würden. Und überhaupt: „Mit einem vernünftigen Wirtschaftswachstum und einem vernünftigen Budgetplan haben wir die Möglichkeit zu konsolidieren.“
Den vernünftigen Budgetplan, der zu einer Reduktion des Defizits führt, ist seine Regierung aber eben schuldig geblieben. Daher sehen sich Leute wie Felbermayr und Badelt ja auch gezwungen, so deutlich zu werden und ein Sparpaket zu fordern. Auffallend: Herbert Kickl, dessen Partei, die FPÖ, aus der Pole-Position in die Nationalratswahl geht, hält sich diesbezüglich ebenfalls zurück. Und die SPÖ würde unter Anderes Babler nicht Ausgaben kürzen, sondern Steuern umverteilen. Die Erreichung von Maastricht-Kriterien ist für sie nebensächlich.
These: Es ist nicht nur dem Wahlkampf geschuldet, dass sich kaum jemand mit Sparmaßnahmen herumschlagen möchte. Es geht um mehr: Es gibt weniger Bereitschaft denn je, hier Disziplin walten zu lassen und Vorgaben „aus Brüssel“ zu beachten. Das widerstrebt neben linken, die einen starken Staat propagieren, sowohl populistischen als auch geschwächten Parteien rechts der Mitte. Die einen wollen sich beliebt, die anderen nicht noch unbeliebter machen.
Insofern ist es gut möglich, dass die nächste Regierung genauso ein höheres Defizit hinnimmt wie es der amtierende Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) mit Nehammers Unterstützung jetzt schon tut. Von Kickl gar nicht zu reden: Schaut man sich an, wer die höchsten Defizite in Europa macht, stößt man auf Italien (7,4 Prozent) und Viktor Orbans Ungarn (6,4 Prozent).
Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni nimmt das in Kauf. Die „Neue Zürcher Zeitung“ wundert sich: Nach der EU-Wahl scheine sie erfolgreicher denn je. Dabei habe sie ein Milliardenloch in der Staatskasse. Vielleicht ist aber genau das der Grund: Das „Super-Defizit“ (NZZ) ist unter anderem auf einen „Superbonus“ zurückzuführen. Die Regierung Meloni lässt damit Italiener ihre Häuser auf Staatskosten sanieren.
Österreich hat mit 78 Prozent eine viel niedrigere Schuldenquote als Italien (137) und bekommt noch immer relativ günstig Geld. Die Zinsbelastung ist zwar gestiegen, „in Euro“ aber nach wie vor niedriger als 2019. Nach zwischendurch 4,3 Milliarden Euro ist sie beim Bund auf 5,3 Milliarden heuer geklettert. 2019 hatte sie 5,6, vor zehn Jahren 7,3 Milliarden Euro betragen – und das bei deutlich kleineren Budgets.