Kalte Progression: Koalition auf SPÖ-Linie

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BERICHT. ÖVP und FPÖ wollen gerade erst entdeckt haben, dass Besserverdienende von einer Abschaffung eher profitieren würden.

Darauf, dass die Regierungsparteien die kalte Progression abschaffen, sollte man nicht mehr wetten. Hatten sie dies im Wahlkampf noch dezidiert angekündigt, so wichen sie in weiterer Folge immer mehr davon ab und befinden sich nun de facto auf SPÖ-Linie.

Unfair sei, „dass die kalte Progression die Lohnerhöhungen auffrisst und dem Finanzminister Jahr für Jahr zusätzliche Einnahmen auf Kosten der Steuerzahler beschert“. Das stellte nicht irgendwer fest, sondern die FPÖ in ihrem Wahlprogramm 2017 und versprach denn auch einen „Stopp der kalten Progression durch (eine) automatische Anpassung der Steuerstufen an die Teuerungsrate“. Ähnlich die Neue Volkspartei des nunmehrigen Kanzlers Sebastian Kurz: Es brauche „eine umfassende Senkung der Lohn- und Einkommensteuer – und auch gleich die Abschaffung der kalten Progression“, ließ sie in ihrem Programm zur Nationalratswahl wissen: „Nur so können wir die große Lücke zwischen Brutto und Netto etwas schließen und wieder mehr Anreize für die Menschen schaffen, die etwas leisten wollen in unserem Land.“

Mittlerweile ist alles anders. Schon im Regierungsprogramm kündigten die beiden Parteien nur noch an, die Abschaffung der kalten Progressen im Rahmen einer Steuerstrukturreform zu prüfen.

„Die reine Abschaffung der kalten Progression halte ich nicht für besonders sozial.“ (Sebastian Kurz)

Und jetzt ließ Sebastian Kurz mit der Feststellung aufhorchen, dass es seiner Ansicht nach etwas ganz Grundsätzliches zu bedenken gibt: „Die reine Abschaffung der kalten Progression halte ich nicht für besonders sozial.“ Denn davon würden vor allem Personen mit höheren Einkünften profitieren. Ähnlich äußerte sich Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ); er begründete die Verschiebung der Abschaffung auf die kommende Legislaturperiode damit, dass bei einer sofortigen nur Bezieher hoher Einkommen davon profitiert hätten.

Das ist freilich nichts Neues: Entweder haben Kurz und Co. das im Wahlkampf nicht gewusst oder sie haben geflunkert. So oder so befinden sie sich nun quasi auf SPÖ-Linie. Sie hat schon immer Vorbehalte gegen eine generelle Abschaffung der kalte Progression gehabt. Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hätte sich eine solche z.B. 2016 zwar gewünscht. Der damalige Koalitionspartner sprach sich jedoch für eine stärkere Valorisierung unterer Einkommen aus und begründete dies damit, dass Wohnen und Nahrungsmittel oft einer stärkeren Teuerung unterliegen. Das betreffe vor allem kleine und mittlere Einkommen.

Laut Agenda Austria beschert die kalte Progression dem Finanzminister im Laufe dieser Legislaturperiode zusätzliche Einnahmen in Höhe von achteinhalb Milliarden Euro.

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