ANALYSE. Die (weitgehende) Abschaffung der kalten Progression war nur eine halbe Sache. Auf eine Ausgabenbremse ist verzichtet worden. Das rächt sich jetzt.
Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates, ist immer wieder eine Art Spaßbreme. Aber im positiven Sinne: Er sagt nicht, was zum Beispiel dem scheidenden Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) gefallen könnte, sondern was Sache ist. Beispiel 1: Schon vor dem Sommer ist Badelt davon ausgegangen, dass das gesamtstaatliche Defizit auf mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleitung und damit über eine sogenannte Maastricht-Grenze steigt. Brunner zeigte sich verwundert darüber. Nach der Nationalratswahl gestand er jedoch, dass es wirklich so ist.
Beispiel 2: Brunner und die gesamte Regierung, also auch Grüne, sind ein bisschen stolz darauf, die kalte Progression weitgehend abgeschafft zu haben. Ja, es wird ihnen gerne zugestanden, dass das eine echte Strukturreform gewesen sei. Badelt hatte sich jedoch schon vor eineinhalb Jahren zurückhaltend geäußert: Er hätte noch gewartet, ihm graue vor zusätzlichen Staatsausgaben.
Jetzt läuft das Budget wirklich aus dem Ruder. Grund eins: Durch die weitgehende Abschaffung der kalten Progression ist das Lohnsteueraufkommen allein heuer um 1,4 Milliarden Euro reduziert. Anders ausgedrückt: Ohne Änderungen bei der Progression wären die Steuereinnahmen um 1,4 Milliarden Euro höher ausgefallen. Problem: Es gibt keine Ausgabenbremse, die dem gerecht wird. Sie wäre jedoch zwingend nötig. Wenn schon, denn schon. Man kann nicht nur A sagen und auf B pfeifen.
Das leitet über zu Grund zwei, durch den sich dieses Problem vergrößert: Die Ausgaben ziehen verstärkt davon. Allein im Bundeshaushalt wurden heuer bis Ende August um 2,8 Milliarden Euro höhere Auszahlungen für den Pensionsbereich verzeichnet als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. Und zwar vor allem, weil die Pensionen an die massive Teuerung in der jüngsten Vergangenheit angepasst worden sind.
Hätte man das unterlassen sollen? Das ist nicht einmal die Frage. Es geht darum: Wenn man einnahmenseitig Inflationseffekte (durch die weitgehende Abschaffung der kalten Progression) nicht mehr voll wirken lässt, darf man dies nicht ausgabenseitig zulassen. Dann entsteht automatisch allein schon daraus eine Lücke. Beziehungsweise: Wenn man dann schon findet, dass Pensionsanpassungen gut und wichtig sind, dann muss man zu anderen Maßnahmen schreiten, die die Ausgabensteigerungen bremsen. Getan worden ist dies jedoch nicht.