ZAHLEN ZUM TAG. Weil die kalte Progression nicht und nicht abgeschafft wird, bekommen die Lohnsteuerzahler eher nur das zurück, was sie seit der letzten „Entlastung“ zusätzlich eingezahlt haben.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) war der Hinweis von Moderatorin Claudia Reiterer im ORF-Interview nicht einmal peinlich: Wie alle anderen Spitzenkandidaten hatten sie vor der Wahl eine Abschaffung der kalten Progression versprochen. Das ist auf einem Foto festgehalten, auf dem die beiden Täfelchen präsentierten, die das zum Ausdruck brachten.
Im Regierungsprogramm ist jedoch wieder nur die Prüfung einer Abschaffung angekündigt. Das Ergebnis beim letzten Mal ist bekannt: Als es ernst wurde, überraschte Kurz mit der Aussage, dass ein solcher Schritt „nicht besonders sozial“ wäre. Bezieher höherer Einkommen würden besonders davon profitieren.
Wie auch immer: Vor diesem Hintergrund grenzt es an eine Zumutung, bei der für 2021 geplanten Senkung der Steuertarife von 25 auf 20, von 35 auf 30 und von 42 auf 40 Prozent von einer Entlastung zu sprechen. Erstens: Es handelt es eher nur um eine Art Abgeltung dessen, was sehr viele Österreicher seit der letzten Änderung mehr eingezahlt haben. Zweitens: Auch diese sogenannte Entlastung wird im Laufe der Zeit wieder verpuffen.
Das Lohnsteueraufkommen ist in den vergangen Jahren extrem stark gestiegen. 2019 war die Zunahme bis einschließlich November mit 4,9 Prozent (bzw. 1,2 Milliarden Euro) fast doppelt so stark wie ursprünglich erwartet. Seit 2016 belief sich das Plus überhaupt auf 15 Prozent. Für die Zunahme gibt es zwei Gründe: Die Lohnsumme, die der Besteuerung zugrunde liegt, ist durch Lohnerhöhungen und eine erfreuliche Entwicklung der Beschäftigungslage gewachsen. Außerdem hat eben die kalte Progression zugeschlagen. Laut einer aktuellen Berechnung der wirtschaftsliberalen Denkfabrik „Agenda Austria“ wird allein sie die letzte „Entlastung“ bei Durchschnittsverdienern bis zur nun geplanten nächsten „Entlastung“ mehr oder weniger aufgefressen haben.
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