ANALYSE. ÖVP und FPÖ arbeiten indirekt – und aus unterschiedlichen Positionen heraus – an der Umsetzung einer rot-grünen Forderung: Bei stark steigenden Ausgaben zeigen sie kein Interesse an Sparmaßnahmen. Das Ergebnis ist für SPÖ und Grüne jedoch nicht nur erfreulich.
Vor sechs Jahren sind ÖVP und FPÖ angetreten, Steuern zu senken und das unter anderem durch „Sparen im System“ zu finanzieren. Ergebnis: Die Steuer- und Abgabenquote ist mehr oder weniger unverändert deutlich über 40 Prozent der Wirtschaftsleistung geblieben und auch bei den Ausgaben hat sich wenig geändert. Die Förderungen waren am Ende der türkis-blauen Zusammenarbeit (mit fast 25 Milliarden Euro) deutlich höher als zu Beginn. Seither sitzen Freiheitliche auf der Oppositionsbank und fordern Anti-Teuerungspakete – koste es, was es wolle.
Wobei die türkis-grüne Regierung eh sehr viel tut. Die kalte Progression ist gestrichen, Energiekostenzuschüsse und vieles andere mehr ist gewährt. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat in einer Aussendung gerade berichtet, dass man 2022 bis 2026 „insgesamt mehr als 49 Milliarden Euro“ investiere. Damit liege man international im Spitzenfeld. Darauf ist man stolz.
Problem: Man kann sich das nicht leisten, ohne auch nur ansatzweise gegenzusteuern. Weil man es sich aber leistet oder gar noch exzessiver betreiben möchte, legt man es von türkiser und blauer Seite auf etwas an, was man eigentlich verhindern möchte: eine Vermögensbesteuerung in Form einer Erbschaftssteuer oder was auch immer.
Auf der anderen Seite müssen Sozialdemokraten und Grüne, denen das bis zu diesem Punkt gefallen könnte, davon ausgehen, dass ihr Ansatz überholt ist: Es wird nicht möglich sein, im Gegenzug den Faktor Arbeit zu entlasten. Das wird sich nicht ausgehen.
Der Staat braucht Geld. Und zwar in wesentlichen Bereichen auch gemessen an der Wirtschaftsleistung immer mehr. Er schafft es nicht, mit weniger auszukommen. Den Beweis dafür liefern türkise wie rote Länder- und Gemeindevertreter bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen. Sie wollen sich nicht länger mit einem Drittel der Steuereinnahmen begnügen, die der Bund verzeichnet. Sie weisen darauf hin, dass sie für Pflege und Gesundheit viel mehr Geld brauchen würden.
Für den Finanzminister wird es realpolitisch schwer bis unmöglich, nicht nachzugeben. Selbst wenn es ihm gelingen würde, wird es bei der Budgetierung immer enger für ihn: Die Abschaffung der kalten Progression hat dazu geführt, dass die Steuereinnahmen nicht mehr so sprudeln wie in der Vergangenheit. Zusätzlich zur Teuerung bedeuten die Alterung, die Klimakrise und der Krieg in Europa für ihn aber stark steigende Ausgaben – für Pensionen, Verteidigung, bald auch CO2-Strafzahungen etc. Unterm Strich ist das umso schwerwiegender, als es daneben wohl noch nie so wenig Bereitschaft für Reformen bzw. Kostenbremsen gegeben hat wie derzeit. Wohlwollend formuliert liegt es daran, dass man den Leuten bei allen Krisen nicht noch größere Herausforderungen zumuten möchte. Nüchtern betrachtet will man sich aufgrund durchwachsener Umfragewerte nicht noch unbeliebter mache.
Vor diesem Hintergrund läuft es also auf eine Vermögensbesteuerung als zusätzliche Geldquelle für den Staat hinaus. ÖVP und FPÖ werden eine solche nicht in ein Wahlprogramm schreiben, hinterher aber schlucken, sofern sie in Regierungsverantwortung stehen werden. Erstens: Zu nennenswerten Ausgabenkürzungen sind sie nicht bereit. Selbst wenn Sozialleistungen stärker mit der österreichischen Staatsbürgerschaft oder Deutschkenntnissen verknüpft werden würden, würde das summa summarum kaum etwas bringen. Im Übrigen haben sie sich Populärem verschrieben. Das leitet über zu zweitens: Eine Vermögensbesteuerung ist noch immer die Steuer, die am ehesten von einer breiten Masse mitgetragen wird. Kein Wunder: Gut die Hälft der Gesellschaft hat keinen nennenswerten Besitz. Im Wohnbereich liegt die Eigentumsquote unter 50 Prozent.