Was macht eigentlich die Frau Raab?

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ANALYSE. In aktuellen Berichten, die die Integrationsministerin erstellen ließ, ist von „Bandenkriegen“ und vergleichbaren Entwicklungen keine Rede. Was zweierlei heißt.

Zur jüngsten Behauptung, dass sich die Bundes-SPÖ aufgrund der gewalttätigen Auseinandersetzungen auf Straßen und Plätzen in Wien nach dem Vorbild von Bürgermeister Michael Ludwig stärker dem Thema Sicherheit zuwenden müsste, um bei der Nationalratswahl nicht unterzugehen, gab es viele Reaktionen. Daher ein Nachtrag dazu: Im Hinblick auf den Urnengang entscheidend ist, was eine Masse als Problem sieht und wem sie eine Lösungskompetenz zuschreibt. Hier hat die SPÖ ein Problem. Es spielt keine Rolle, ob es gerechtfertigt ist oder nicht. Es ist, wie es ist.

Und es bedeutet auch nicht, dass sie soziale Themen liegen lassen und sich ganz auf einen restriktiven Kurs konzentrieren müsste, wie er vielleicht Hans Peter Doskozil entsprechen würde. Es gibt unterschiedliche Antwortmöglichkeiten und jedenfalls auch solche, die sich von blauen oder türkisen unterscheiden. Der Punkt ist: Wenn der SPÖ keine größere Lösungskompetenz zu dem Problem zugeschreiben wird, das aus Sicht einer relativen Mehrheit das größte ist, wird sie schwer zu einer relativen Mehrheit kommen.

So schwierig müsste das Ganze nicht sein, wie man meinen würde. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) zum Beispiel sagt als Mitbewerberin seit Jahren das Gleiche. Seit sie von Sebastian Kurz (ÖVP) einst in die Politik geholt worden ist, ortet sie etwa „Zuwanderung ins Sozialsystem“. Ihre Parteikollegen Karl Nehammer (Kanzler) und Gerhard Karner (Innenminister) besuchen zwischendurch den Wiener Reumannplatz, um zu betonen, dass ein Kalifat in Österreich keinen Platz habe. Message abgesetzt, fertig.

Vor wenigen Wochen wiederum hat Raab zwei Integrationsberichte veröffentlicht. Im 114 Seiten dicken Bericht eines Expertenrates schreibt sie im Vorwort, ausschlaggebend für den Erfolg des Integrationsprozesses sei, dass Zuwandererinnen und Zuwanderer aktives Engagement zeigen. Die große Mehrheit komme dieser Verpflichtung nach, „jedoch stellen die hohe Zahl an Schutzgewährungen, die Verschiedenheit der Herkunftsgruppen sowie die räumliche Konzentration der Zugewanderten in Wien etablierte Integrationsstrukturen vor Herausforderungen“. Genauer? Darauf geht sie nicht ein. Die Expertinnen und Experten liefern schließlich eher „nur“ allgemeine Zahlen sowie ein Schwerpunktkapitel zu „Erstintegration und Spracherwerb von Erwachsenen“.

Der zweite Bericht ist ein statistischer, erstellt von der Statistik Austria. Unter anderem enthält er ein paar Daten zum Sichtwort „Sicherheit“. Es geht um Anzeigen nach Staatsangehörigkeit und dergleichen. Inklusive Hinweis, dass sich im Zeitraum 2018 bis 2023 „für alle Staatsangehörigkeiten ein Rückgang der Kriminalitätsbelastung“ zeige.

Das alles bringt zweierlei zum Ausdruck: „Bandenkriege“ in Wien stehen nicht für Zuwanderung und Integration insgesamt. Das ist wohl korrekt so und wird auch von Raab so vermittelt. Andererseits ist es ein existierendes Problem, das nicht von gestern auf heute gewachsen, sondern nur erst deutlicher geworden ist. Im Übrigen hat es auch mit Integration zu tun, wird von Raab aber nicht annähernd als solches gewürdigt.

Genauer: Von ihr kommen allenfalls parteipolitisch motiviere Kommentare wie jene nach dem Missbrauchsfall um eine Zwölfjährige mit über einem Dutzend jugendlichen Tatverdächtigen (vgl. „Standard“-Bericht dazu). Damals forderte sie eine Herabsetzung der Strafmündigkeit: „Derartiges darf in Österreich einfach nicht ungestraft bleiben.“

Bezeichnend: Das ist wieder vollkommen vergessen. Ein paar Rufe sowie Verweise auf die Schweiz, wo die Strafmündigkeit mit zehn beginnt. Das war’s. Dabei wäre die Schweiz kein ganz schlechtes Beispiel, es ist aber halt nicht im Sinne von Raab und Co.: Kinder werden bei den Eidgenossen nicht bestraft, sie kommen nicht ins Gefängnis. Die Strafmündigkeit ist einzig ein Hebel, um erzieherische oder vielleicht besser sozialpädagogische Maßnahmen zu ergreifen. Inhaftiert werden Jugendliche in der Schweiz allenfalls erst ab 15, also sogar später als in Österreich (ab 14). Doch das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass die Diskussion wieder verstummt ist. Und einfach nichts passiert.

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