ANALYSE. Die Volkspartei setzt die Asylpolitik von Sebastian Kurz fort: Es geht um Signale, Recht spielt keine Rolle.
Vor eineinhalb Jahren hat Karl Nehammer noch als Innenminister unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) gedient und dessen Asylpolitik gepflegt. So ließ er ein Mädchen namens Tina, das in Österreich sozialisiert wurde, mit Angehörigen in ein Land (Georgien) abschieben, das diesem fremd war. Das Bundesverwaltungsgericht befand, dass das rechtswidrig war. Nehammers Parteikollege, der nunmehrige Innenminister Gerhard Karner, ließ daraufhin mit einer Amtsrevision dagegen vorgehen. Diese ist nun vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden. Damit stehe die Rechtswidrigkeit der Abschiebungen endgültig fest, so der Anwalt Wilfried Embacher auf Twitter.
Das hindert Karner und die Volkspartei nicht daran, Rechte weiterhin mit Füßen zu treten. In der „Kronen Zeitung“ brachte es der Minister zur Schlagzeile: „Kein Asyl für Menschen aus ,Urlaubsländern‘“. Schutz würden nur jene erhalten, die wirklich Hilfe bräuchten, Männer und Frauen aus Indien, Marokko und Tunesien würden nicht dazu zählen.
Allein diese Verallgemeinerung lässt tief blicken: Wollte man sie verharmlosen, könnte man sagen, sie habe ungefähr die Qualität der Aussage, alle Österreicherinnen und Österreicher würden Dirndl oder Lederhose tragen. Hier geht es jedoch um Ernstes, nämlich um individuelle Menschenrechte, die von Fall zu Fall zu prüfen sind. Dass Staatsangehörige eines entwickelten Landes bei weitem nicht so gefährdet sein mögen wie Angehörige eines Landes ohne funktionierendes Rechtssystem, ist klar. Möglich ist eine Gefährdung jedoch da wie dort.
Die Qualifizierung als „Urlaubsland“ tut in diesem Zusammenhang schon gar nichts zur Sache. Sie ist unendlich zynisch und darauf ausgerichtet, bei einer (Wähler-)Masse zu wirken. Motto: Wo es uns gefällt, kann es keinen Grund geben, zu fliehen.
Das ist dumm: „Von der Demokratie in die Diktatur“, lautete unlängst ein Titel im „Kurier“. Anlass: Der amtierende Staatschef Kais Saied habe im einstigen Vorzeigeland des Arabischen Frühlings „alle Macht“ an sich gezogen. Die Organisation „Amnesty International“ berichtete schon in der Vergangenheit von Menschenrechtsverletzungen. Stand Mitte Juni wurden demnach zwei Journalisten bzw. insgesamt „mindestens“ zwölf Zivilpersonen von einem Militärgericht strafverfolgt. Aussagen, die Saied missfielen, waren ganz offensichtlich ausreichend dafür.
In Marokko sind laut „Human Rights“ die Religions-, Meinungsäußerungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt: „Die Pressefreiheit wird ebenfalls eingeschränkt, insbesondere bei Themen, die den Islam, die Königsfamilie oder die „territoriale Einheit“ Marokkos (im Bezug auf die West-Sahara) betreffen.“ MenschenrechtsaktivistInnen und JournalistInnen würden in ihrer Arbeit „manchmal behindert und willkürlich verhaftet“.
Im (laut Karner) „Urlaubsland“ Indien sah sich „Amnesty International“ vor zwei Jahren gezwungen, die Tätigkeit vor Ort einzustellen. Begründung: Regierungsbehörden hatten Bankkonten der Organisation eingefroren. Das hindert sie nicht daran, weiterhin zum Beispiel auf „Missbräuche durch Polizei- und Sicherheitskräfte, wie außergerichtliche Tötungen, Folter und Vergewaltigungen“, hinzuweisen.
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