ANALYSE. Es mag freiheitlichen Darstellungen entsprechen, dass es nur Probleme mit Ausländern gebe, ist jedoch Wahnsinn: Was damit angerichtet und gefährdet wird.
Es lässt tief blicken, dass Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) – wie hier berichtet – den Eindruck vermittelt, dass es in Österreich ganz schlecht läuft mit den Ausländern und dass sie belastbare Daten, die sehr viel anderes besagen, ausblendet: Es lässt den Schluss zu, dass die Frau ein Problem bearbeiten will. Devise: „Die Freiheitlichen machen das noch viel stärker und gewinnen Wahlen damit. Also muss was dran sein.“ Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Freiheitliche gehen nämlich immer einen Schritt weiter, fordern die Aberkennung der Staatsbürgerschaft und Remigration.
Ist es das, was Plakolm will? Sie spielt wie gesagt damit.
In Wirklicht funktioniert das Zusammenleben – wie ebenfalls hier ausgeführt – bemerkenswert gut. Ob mit Zuwanderern im Allgemeinen oder Geflüchteten im Besonderen. In Wirklichkeit gibt es selbstverständlich immer auch Probleme, die sehr groß sein können. Aber muss man so tun, als gebe es nur sie?
Es ist Selbstbeschädigung. Es gefährdet den gesellschaftlichen Frieden. Und es gefährdet den Wohlstand: Es ist zu billig, so zu tun, als würden Ausländer nur Geld kosten. Stichwort „Zuwanderung ins Sozialsystem“, ein Slogan, der von Türkisen und Blauen verwendet wird. Auch bei den Flüchtlingen, die in den vergangenen Jahren ohne irgendetwas gekommen sind, ist es laut Eco-Austria-Studie so, dass sie keine Nettoempfänger mehr sein dürften. Dass sie also nicht mehr bekommen als sie einzahlen.
Der Fiskalrat hat jüngst in einem Nachhaltigkeitsbericht dargelegt, dass die Budgetlücke bei anhaltend starker Zuwanderung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weniger groß ausfallen würde. Was an sich keine Überraschung ist: Die Leute sind eher jung, brauchen noch weniger Gesundleistungen und beziehen keine Pension. Sie können eher arbeiten, wenn man sich bemüht, Integrationsdefizite bei Bedarf zu beseitigen.
Das WIFO hat im Frühjahr vorgerechnet, dass Personen mit Migrationshintergrund in der Bundeshauptstadt 42,5 Prozent aller geleisteten Arbeitsstunden erbringen. Sprich: Ohne sie wäre Wien erledigt, würde nichts mehr funktionieren, müssten Spitäler, Pflegeheime und vieles andere mehr auf der Stelle zusperren.
Und wir reden hier nicht nur von sogenannten niederen Tätigkeiten. Unter Menschen mit Migrationshintergrund ist auch der Akademikeranteil sehr hoch. Schwierigkeiten hätten also auch Forschungseinrichtungen oder Konzerne wie, sagen wir, die OMV. Und zwar gerade auch in den oberen Etagen.
Es wäre fahrlässig, zu ignorieren, was mit Migration verbunden ist: Gerade in Wien hat man in den vergangenen Jahren gesehen, wie schwierig es für Schulen werden kann. Es gibt Leute, die tun sich schwer, wenn in ihrer Umgebung die einst gewohnte Sprache kaum noch zu hören ist. Das muss man sehen.
Deswegen aber zu dumpfer Anti-Ausländerpolitik schreiten oder gar „Remigration!“ rufen? Oder zu verlangen, dass größere Familien deutlich weniger Sozialhilfe bekommen? Und zwar mit dem Argument, das Plakolm in der Boulevardzeitung „Heute“ vorgetragen hat: „Bei mir daheim – und ich glaube, das ist bei vielen so – gibt man ja den Kinderwagen, Spielsachen und Kleidung, die noch gut sind, an jüngere Geschwister weiter.“ Unterschwellig heißt das in besagtem Kontext, dass Ausländer derlei in ihrer angeblichen Maßlosigkeit nicht kennen. Dass man ihnen sozusagen auf die Sprünge helfen muss.
Bei dieser Forderung geht es aber um noch etwas anderes: Selbstverständlich kann man sagen, dass eine Familie nicht mit jedem Kind entsprechend mehr braucht, sondern dass es pro Kopf eher immer weniger wird. Wenn man das findet, dann wird man sich aber schwertun, aufrechtzuerhalten, was der Familienbeihilfe zugrunde liegt: „Jedes Kind ist gleich viel wert.“ Ja, da gibt es sogar eine Mehrkindstaffel, also eine zusätzliche Erhöhung, die übrigens von der ÖVP einst durchgesetzt worden ist.
Das ist ein Widerspruch zu dem, was Plakolm fordert, wie ihre Parteikollegin Ingrid Korosec einmal festgestellt hat. Genauer: Es ist sein schönes Beispiel dafür, dass es nicht ungefährlich ist, anzufangen, an einem Ende eines Systems aus rein populistischen Gründen irgendwelche Änderungen vorzunehmen; dass es dazu führen kann, dass es aufgrund des Gleichheitsprinzips oder der simplen Logik am Ende überall durchgesetzt werden muss. Ein Schuss ins eigene Knie, gewissermaßen.