Nur eine Minderheit lässt sich einbürgern

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BERICHT. Im europäischen Vergleich verzeichnet Österreich eine weit unterdurchschnittliche Rate. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Die Verkürzung der Wartezeit würde zu mehr als 500.000 Einbürgerungen führen, so ÖVP-Klubobmann August Wöginger in einer Aussendung am vergangenen Wochenende. Seine Parteikollegin, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bekräftigte dies am Montagabend in der ZIB 2. In Wirklichkeit würde es sich sehr wahrscheinlich um eher deutlich weniger als ein Zehntel davon handeln.

Erstens: Die Kürzung würde nur für jene 90.000 Menschen etwas ändern, die Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger sind und sechs bis zehn Jahre in Österreich leben. Zweitens: Sehr viele von denen, die sich bereits heute einbürgern lassen könnten, verzichten darauf.

Gerade einmal 0,9 Prozent der seit mindestens zehn Jahren in Österreich lebenden ausländischen Staatsangehörigen ließen sich im vergangenen Jahr einbürgern. Bezogen auf alle Ausländerinnen und Ausländer belief sich der Anteil 2019 auf 0,7 Prozent. Im europäischen Vergleich waren das sehr wenige. Niedriger war der Anteil nur in Lettland (0,6), Tschechien (0,5), Estland (0,4), Dänemark und Litauen (jeweils 0,3 Prozent). Sonst war der Anteil überall höher, von Deutschland (1,3) über Italien (2,6 Prozent) bis Schweden (sieben Prozent). Das ist einem aktuellen Bericht der Statistik Austria zu entnehmen.

Wie ist der bescheidene Wert erklärbar, der für Österreich ausgewiesen wird? Zunächst einmal leben hierzulande mehr und mehr Menschen aus anderen EU- und EFTA-Staaten; Deutschland ist das mit Abstand stärkste Herkunftsland. Bei Bürgern aus solchen Staaten ist die Motivation und damit auch die Bereitschaft, die Staatsbürgerschaft zu wechseln, relativ klein; bei ihnen sind die Anteile denn auch besonders niedrig.

Zum anderen müssen Drittstaatsangehörige in Österreich mit zehn Jahren in der Regel sehr lange warten, bis sie sich überhaupt einbürgern lassen können. Viele nützen die Möglichkeit ganz offensichtlich auch dann nicht: Aus dem ehemaligen Jugoslawien (exklusive Kroatien) ließ sich im vergangenen Jahr nur ein Prozent der Menschen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt hierzulande einbürgern, bei türkischen Staatsangehörigen handelte es sich überhaupt nur um 0,7 Prozent.

„Deutlich höher war der Anteil an Neo-Österreicherinnen und -Österreichern bei Personen aus Drittstaaten, insbesondere bei jenen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak (4,1%), wobei die Zahl der Personen aus diesen Ländern, die bereits zehn Jahre in Österreich leben, noch verhältnismäßig gering ist“, so die Statistik Austria: „Insgesamt gab es 298 Einbürgerungen von afghanischen Staatsangehörigen, 211 von Syrerinnen und Syrern und von 103 Personen aus dem Irak.“

Unterm Strich könnte all das ein Hinweis darauf sein, dass das Staatsbürgerschaftsrecht möglicherweise nur einen geringen Integrationseffekt hat: Für eine Masse scheint es kein Anreiz zu sein, Deutsch zu lernen und andere Dinge zu tun, um Österreicherin oder Österreicher werden zu können – zumal eine Doppelstaatsbürgerschaft nicht möglich ist und die bisherige daher aufgegeben werden müsste.

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