Nebelgranaten

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ANALYSE. ÖVP und FPÖ lenken den Fokus auf importierten Antisemitismus und leiten daraus die Notwendigkeit ab, Asylpolitik weiter verschärfen zu müssen. Wenn es nur Konkretes, Neues oder Zielführendes geben würde. Aber nicht einmal das ist der Fall: Schlagzeilen genügen.

In Österreich gibt es vor allem zwei wahrgenommene Ausprägungen von Antisemitismus: Rechtsextremen und muslimischen, der häufig auch als importiert bezeichnet wird, weil er in einem Zusammenhang mit Zehntausenden steht, die zugewandert sind. Man sollte jedoch genauer hinschauen, betont doch auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), dass Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Aber das erspart man sich. These: Es ist verhängnisvoll. Wenn zum Beispiel Karl Nehammer nicht darauf eingeht und seine bemerkenswert pro-israelische Politik erklärt, wie es Robert Habeck in Deutschland getan hat, dann verschlechtern sich seine Chancen im Hinblick auf die Nationalratswahl im kommenden Jahr noch weiter. Grund: Es ist zu befürchten, dass eine Wählermasse allein aufgrund eines tiefsitzenden Antisemitismus nichts davon hält, an der Seite Israels zu stehen. Und dass sich das mit Fortdauer des Krieges verstärken wird.

Die FPÖ hat gleich gesagt, dass gegenwärtiger Antisemitismus (ausschließlich) das Ergebnis der Asylpolitik der vergangenen Jahre sei. Darauf, auszuführen, ob auch die Politik der Jahre 2018/2019 gemeint ist, hat sie vergessen. Es wäre relevant: Da war Herbert Kickl Innenminister. Solche Dinge gehen in einer politischen Auseinandersetzung, der es um Akzente und nicht um Ernsthaftigkeit geht, jedoch unter.

Die „Kronen Zeitung“ berichtet seit Tagen von einem „Vorarlberg Kodex“, den der dortige Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) präsentiert habe und den nun ein Land nach dem anderen übernehmen wolle, ja sich Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) für ganz Österreich vorstellen könne. Idee hinter dem Kodex, der im Wortlaut unbekannt ist und den auch nicht Wallner, sondern zwei Parteifreunde von ihm angekündigt haben: Es gibt weiterhin Deutschkurse, Asylberechtigte müssen sich künftig aber verpflichten, bei Vereinen oder Gemeinden gemeinnützig zu arbeiten.

Wobei: Schon Ende September hieß es, Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe sich mit den Flüchtlingsreferenten der Länder geeinigt, dass Asylwerber künftig gemeinnützig arbeiten müssen. Sein Ressort werde dazu ein Modell vorlegen. Was ist jetzt also das Neue?

Politisch ist diese Frage nebensächlich. Für Schlagzeilen reicht es genauso wie für Signale: Flüchtlinge werden in die Pflicht genommen. Das entspricht der Unterstellung, die in einem Beitrag in der FAZ unlängst für Deutschland bemerkt wurde: Man tut so, als wären Flüchtlinge eine Belastung. Genauer: Als müsse man ihnen „die Wadeln viererichten“.

In Wirklichkeit ist die Sache wohl vielschichtiger: Laut dem FAZ-Beitrag ist es vor allem in deutschsprachigen Ländern so, dass Geflüchtete nicht erwerbstätig sind. Das könnte zu denken geben: Hier liegt sehr wahrscheinlich ein Systemfehler vor.

Vielleicht ist zum Beispiel das das Problem: Man lässt ziemlich lange Asylverfahren zu, die Antragsteller aber nicht ordentlich erwerbstätig sein. Insofern wäre es vielleicht vernünftig, den Leuten, gerade auch weil man keine zügigen Verfahren zusammenbringt, Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Sie also fleißig sein zu lassen.

Zweitens: Ein Kodex wird immer nur symbolischer Teil von Integration sein. Wichtiger ist die Frage, wie zum Beispiel ein Verständnis für Demokratie und Toleranz gefördert werden könnte. Darüber wird bezeichnenderweise nie geredet. Obwohl es ein entscheidender Punkt wäre. Wenn, dann wird eher nur nebulos von „unseren Werten“ gesprochen, die akzeptiert werden müssten. Das lässt tief blicken.

Nachtrag: Der sogenannte Vorarlberg-Kodex soll erst „in ein paar Wochen“ vorgelegt werden, die Markus Wallner nun laut ORF.AT mitgeteilt hat.

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