Geschenk für Kickl

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ANALYSE. Das Kopftuchverbot solle mit Hilfe der Opposition als Verfassungsbestimmung kommen, sagt Integrationsministerin Plakolm. Freiheitliche erhalten damit eine unerwartete Chance, die Regierung vor sich her zu treiben.

Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) zeigt Nerven. Es geht um den Begutachtungsentwurf für das, was sie als „Kinderkopftuchverbot“ bezeichnet. Man werde die Stellungnahmen, die dazu eingelangt sind, einarbeiten, sagt sie in einem „Standard“-Interview, um hinzufügen, dass „aber“ neun von zehn durch Private eingebracht worden seien. Als wäre die Meinung von Bürgern nichts wert.

Im Übrigen geht Plakolm auf Distanz: „Das ist ja nicht mein Gesetz, sondern das Gesetz der gesamten Bundesregierung.“ Tatsächlich handelt sich um ein türkis-rot-pinkes Vorhaben, das unter Verantwortung von Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) entwickelt wird.

Dass Plakolm aber so auf Distanz geht, hat wohl diesen Grund: Stellungnahmen wie jene des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt lassen erhebliche Zweifeln aufkommen, dass eine verfassungskonforme Umsetzung möglich ist. Das bedeutet, dass man damit rechnen muss, dass es vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird.

Konsequenz laut Plakolm: „Auch FPÖ und Grüne sind inhaltlich für ein Kopftuchverbot – diese breite politische Zustimmung müssen wir nutzen, um das Gesetz mit einer Zweidrittelmehrheit zu beschließen.“ Das Ergebnis wäre eine Verfassungsbestimmung, die nicht durch den Verfassungsgerichtshof gekippt werden könnte, wie sie bestätigt.

Den Verfassungsgerichthof in bestimmten Fragen aushebeln, ist eine alte österreichische Unsitte. Es steht für das Kickl’sche „Recht hat der Politik zu folgen“. Selbst bei einer Taxiverordnung ist das einmal der Fall gewesen. Sie ist auf Verfassungsrang gehoben und damit für Höchstrichter quasi unantastbar gemacht worden. Ätsch, bätsch.

Das Kopftuchverbot ist ein anderes Kaliber: „Es geht um mehrere Grundrechte, das ist sehr heikel und sensibel“, weiß Plakolm. Umso brisanter wäre ein Art Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes, der sich ausdrücklich als „Grundrechtsgerichtshof“ betrachtet. Wenn das Schule macht, ist die Verfassung entwertet; sie bietet dann in wesentlichen Fragen keinen Rahmen mehr, auf den man sich verlassen kann.

Zunächst schwerwiegender ist jedoch Plakloms Einladung auch an die FPÖ, ein solches Kopftuchverbot zu ermöglichen: Es wäre naiv zu glauben, Kickl und seine Leute würden mir nichts, dir nicht zustimmen. Es ist ein riesengroßes Geschenk für sie. Nikolaus, Weihnachten und Osten auf einmal.

Erstens: Sie dürfen den Eindruck vermitteln, die Regierung sei zu schwach, um Notwendiges durchzusetzen. Sie brauche die Hilfe der FPÖ. Vor allem aber zweitens: Sie würden eine Ausweitung des Verbots und noch viel mehr verlangen. Sie würden den Hebel nützen, um Druck für alles zu machen, was sie in Bezug auf Migration und Integration schon lange fordern.

Der Kopftuchverbot für unter 14-Jährige könne „nur ein erster Teilschritt“ sein, hat FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz schon im September erklärt: „Es braucht ein generelles Kopftuchverbot an unseren Schulen, sowohl für Schülerinnen, für Lehrerinnen als auch für alle anderen Betreuungspersonen!“ Und überhaupt: Der wichtigste Schritt wäre „ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam“ und mehr: „Der illegalen Masseneinwanderung unter dem Asyl-Deckmantel ist ein für alle Mal mit einer ‚Festung Österreich‘ und einem Asylstopp ein Riegel vorzuschieben!“

Ja, „mit dem laschen Pseudo-Asylkurs der Bundesregierung“ müsse Schluss sein, pflichtet der niederösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) bei. Er hat das im Juli festgestellt. Und zwar ebenfalls im Zusammenhang mit dem Kopftuch. Bei ihm endete das Ganze aber nicht bei einem Asylstopp, sondern bei einem „beinharten Abschiebekurs“ – also dem, was er und seinesgleichen auch gerne als „Remigration“ bezeichnen.

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