ANALYSE. Zuwanderung ist divers wie noch nie. Von der Politik wird das jedoch ignoriert. Zum Schaden des Landes.
Die Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut und stehe am Ende des Integrationsprozesses, erteilte ÖVP-Integrationsministerin Susanna Raab der jüngsten Forderung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ), den Zugang zu erleichtern, ebenso eine Absage wie ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp sprach gar von einer „Provokation der Sonderklasse“. Das zeigt, dass zumindest auf politischer Ebene keine Integrationsdebatte möglich ist.
Zuwanderung wird da eher verallgemeinert und ausschließlich als Problem dargestellt. Demnach wandern fremdsprachige Menschen in der Hoffnung auf ein besseres Leben zu, aber ohne Bereitschaft, sich groß anzustrengen oder gar zu integrieren.
Das versperrt den Blick darauf, wie divers Zuwanderung geworden ist: Im vergangenen Jahr kamen laut Statistik Austria knapp 140.000 Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft ins Land. 13.365, also fast jeder Zehnte, hatte die syrische, wesentlich mehr noch die rumänische (17.912) und die relativ meisten (19.378) die deutsche Staatsbürgerschaft. In Summe gehörten 60 Prozent einem anderen EU-Staat an.
So unterschiedlich wie allein schon diese Top-3-Herkunftsländer sind, so unterschiedlich dürften die Motive sein, nach Österreich auszuwandern. Sie lassen sich jedoch nur erahnen. Messbar sind Bildungsstände.
Vergleicht man den Bildungsstand nach Geburtsland, fallen zwei Dinge auf: Ab 15-jährige, die nicht in Österreich geboren sind, verfügen mit 40 zu 21 Prozent zwar viel eher nur über einen Pflichtschulabschluss, als ab 15-Jährige, die in Österreich geboren sind; mit 16 zu 15 Prozent ist bei ihnen andererseits aber auch der Akademikeranteil ein bisschen größer.
Eine ausschließlich problembehaftete Migrationspolitik steht selbst einer gezielten, einer differenzierenden im Weg.
Eine Debatte, die so tut, als wäre es ein Gnadenakt, jemanden ins Land zu lassen, geschweige denn ihm oder ihr eines Tages die Staatsbürgerschaft zu verleihen, trägt dem jedoch nicht Rechnung. Das rächt sich: Wie hier ausgeführt, haben zum Bespiel deutsche Zuwanderer so gut wie kein Interesse, ÖsterreicherIn zu werden. These: Es liegt nicht nur daran, dass sie als EU-Mitbürger ohnehin weniger Nachteile erfahren, es hat schon auch damit zu tun, dass sie nicht umworben werden. Eine ausschließlich problembehaftete Migrationspolitik steht schließlich selbst einer gezielten, einer differenzierenden im Weg.
Das kommt auch in der Flüchtlingspolitik zum Ausdruck: Sie ist nicht in der Lage, konsequent Recht walten zu lassen, sondern geht zunehmend dazu über, ein solches in völkerrechtswidriger Art und Weise ganz zu verwehren. FPÖ-Chef Herbert Kickl drängt auf eine Volksbefragung für einen generellen „Asylstopp“. In der ÖVP macht Innenminister Gerhard Karner mit den Zelten Stimmung dafür, und wird ein solcher Stopp zumindest von Ex-Generalsekretärin Laura Sachslehner offen unterstützt.