Will Kern überhaupt Kanzler bleiben?

ANALYSE. Wenn der SPÖ-Vorsitzende die Koalitionsbedingungen ernst nimmt, wird er kaum einen Partner finden. 

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ANALYSE. Wenn der SPÖ-Vorsitzende die Koalitionsbedingungen ernst nimmt, wird er kaum einen Partner finden.

Zumindest in einer Hinsicht will der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende nicht dazulernen: Christian Kern weckt Erwartungshaltungen, die er nicht erfüllen kann. Siehe seine Antrittsrede vor etwas mehr als einem Jahr („Wenn wir dieses Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit weiter liefern, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall“). Siehe die zunächst harten Verhandlungen über ein neues Regierungsprogramm im vergangenen Jänner. Siehe seine Aufforderung an Außenminister Sebastian Kurz, nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner das Amt des Vizekanzlers zu übernehmen. Und so weiter und so fort: Am Ende stand immer eine Ernüchterung, um nicht zu sagen Niederlage.

Und jetzt das: Christian Kern definiert „Koalitionsbedingungen“ für die Zeit nach der Nationalratswahl. Wieder erweckt er damit eine Erwartungshaltung, der er eigentlich nur dann gerecht kann, wenn er das Regieren sein lässt und sich mit der SPÖ in die Opposition verabschiedet.

Es handelt sich ausdrücklich um „Bedingungen“.

Das Bemerkenswerte ist, dass die sieben Koalitionsbedingungen nicht grundsätzlich – und damit auch im Rahmen von notwendigen Kompromissen – erfüllbar formuliert sind. Nein, es handelt sich ausdrücklich um „Bedingungen“ und zumindest die ersten fünf sind recht konkret:

  • Drei Milliarden Euro weniger Steuern auf Arbeit, dafür Schluss mit Steuerprivilegien und Sonderrechten für Großkonzerne.
  • 1500 Euro Mindestlohn und die ersten 1500 Euro steuerfrei bis 2019.
  • Rechtsanspruch auf Ganztags-Kinderbetreuung ab dem vollendeten 1. Lebensjahr ab 2020. 
  • 5000 LehrerInnen mehr in Österreichs Brennpunktklassen und 2500 PolizistInnen mehr auf unseren Straßen ab 2020.
  • Pflegeregress abschaffen und durch Steuer auf Erbschaften über eine Million Euro finanzieren.

Im Klartext bedeutet das beispielsweise, dass Kern auf einer Steuerreform besteht, die zum rechtzeitigen Inkrafttreten im kommenden Jahr beschlossen wird und neben der Drei-Milliarden-Euro-Entlastung des Faktors „Arbeit“ Folgendes zum Inhalt haben muss: Ausweitung der ersten Lohn- und Einkommensteuer-Tarifstufe, in der man noch nichts abliefern muss (wer 1500 Euro brutto im Monat verdient, muss derzeit 645 Euro im Jahr Lohnsteuer abliefern). Sowie Zum-Teil-Wiedereinführung der Erbschaftssteuer. Summa summarum sollen also „Kleine“ ent- und ganz „Große“ belastet werden.

Dass sich ÖVP oder FPÖ genötigt sehen könnten, diese Bedingungen zu erfüllen, ist schwer vorstellbar; sie werden wohl eine Mehrheit haben.

Das ist eine sozialdemokratische Ansage. Und es ist gut, wenn Kern versucht, das Profil seine Partei zu schärfen: Das gibt den Wählern etwas mehr Orientierung. Das Problem für ihn ist jedoch, dass seine Vorstellungen so formuliert sind, dass er sie nur dann umsetzen kann, wenn er mit der SPÖ eine absolute Mehrheit holt und dann quasi tun und lassen kann, was er möchte. Aber das ist ja nicht einmal im Entferntesten zu erwarten.

Also hat Kern nach der Wahl nur zwei Möglichkeiten: Er gibt die ausdrücklichen Koalitionsbedingungen auf und lässt sich auf Kompromisse mit einem Koalitionspartner ein. Oder er hält Wort („Koalitionsbedingungen!“) und verabschiedet sich in die Opposition. Dass sich ÖVP oder FPÖ genötigt sehen könnten, die Bedingungen zu erfüllen, ist jedenfalls schwer vorstellbar; die beiden werde ja mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine gemeinsame Mehrheit kommen (dazu reicht es, wenn sie am 15. Oktober zusammen nur leicht dazugewinnen).

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