ANALYSE. „Sebastian Kurz ist unser Star“, sagt der oberösterreichische Landeshauptmann und ÖVP-Chef Thomas Stelzer. Und sagt damit sehr viel über den Zustand der Partei aus.
Wenn man sich mit der Frage auseinandersetzt, ob es Sebastian Kurz als ÖVP-Chef denn nicht auch so gehen würde wie Reinhold Mitterlehner und all seinen Vorgängern, dann sollte man eines nicht übersehen; nämlich, dass die Österreichische Volkspartei des Jahres 2017 eine ganz andere ist als z.B. die des Jahres 1997. Damals war es wirklich schwierig, sie zu führen, gab es neben den Bünden doch gleich drei bestimmende und zum Teil miteinander konkurrierende Landesorganisationen: die niederösterreichische, die oberösterreichische und die steirische. Damit umzugehen war schier unmöglich. Heute ist vieles anders: Übrig geblieben ist eigentlich nur noch die niederösterreichische, wie man sieht, wenn man die Wählerstimmen bei Landtagswahlen miteinander vergleicht.
Es ist also zu einer Machtkonzentration gekommen. Wobei das auch für die Bünde gilt: So stellt der Bauernbund seit wenigen Wochen erstmals keinen Landeshauptmann mehr; Erwin Pröll war der letzte. Gestärkt ist dafür der ÖAAB; und auch der funktioniert vor allem über Niederösterreich, zählt Landeshauptfrau Johannes Mikl-Leitner doch praktischerweise zu diesem.
Übrig bleibt ein verlockendes Angebot für Kurz: Wenn er die Führung übernimmt, kann er alles haben.
All das macht es für einen Bundesparteichef viel einfacher. Er muss eigentlich nur noch die Niederösterreicher beachten. Und genau das war die große Schwäche des Reinhold Mitterlehner; er konnte mit den Niederösterreichern ganz einfach nicht. Und das ist etwa so, als würde der SPÖ-Bundesvorsitzende mit seinen Wiener Genossen nicht zurechtkommen; das wäre vielleicht nachvollziehbar, kann aber nicht gutgehen.
Viel deutlicher als durch die nackten Zahlen wird der Wandel der ÖVP gerade auch dieser Tage durch der Art und Weise, wie sich Ländervertreter gegenüber Außenminister Sebastian Kurz verhalten. „Unterwürfig“ ist möglicherweise eine respektlose Formulierung. Irgendwie aber geht es in diese Richtung: Weil sie es selbst nicht mehr schaffen, die Leute zu begeistern, nehmen sie die Hilfe des 30-Jährigen in Anspruch, der genau das verdammt gut kann. Gemeinsam touren sie dann durch die Lande. Und machen aus der Geschichte auch gar keinen Hehl: „Klar ist“, verriet der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer gegenüber dem „Standard“: „Kurz ist unser Star.“ Einzig Hermann Schützenhöfer (Steiermark) versucht zu bremsen, ist damit jedoch auf verlorenem Posten. Übrig bleibt ein verlockendes Angebot für Kurz: Wenn er die Führung übernimmt, kann er alles haben; schließlich kann die Gesamtpartei nur noch mit ihm erfolgreich sein.
Man rufe sich ÖVP-Landeshauptleute aus den 1970er Jahren in Erinnerung und stelle sich vor, sie bezeichneten einen eigenen Bundesparteikollegen als „Star“. Ja, es ist unvorstellbar.
Man rufe sich ÖVP-Landeshauptleute aus den 1970er Jahren in Erinnerung und stelle sich vor, sie bezeichneten einen eigenen Bundesparteikollegen als „Star“. Ja, es ist unvorstellbar, dass ein Eduard Wallnöfer (Tirol), Josef Ratzenböck (OÖ) oder Andreas Maurer (NÖ) so etwas getan hätte: Wenn da überhaupt jemand Außerordentlich war, dann waren das aus ihrer Sicht allenfalls sie selbst. Die Hausmacht dazu, sich so etwas zu leisten, hatten sie; die oberösterreichische ÖVP etwa kam bei Landtagswahlen in den 1970er Jahren auf bis zu 51,6 Prozent. Heute sind es 36,4 Prozent.
Und daher ist es auch ein Stück weit verständlich, dass ein Thomas Stelzer kein solches Selbstbewusstsein mehr an den Tag legen kann. Er ist auf die Unterstützung des Sebastian Kurz angewiesen. Auch wenn er aus Wien kommt, was vor gar nicht allzu langer Zeit überhaupt ein Unding war. Doch das ist eine andere Geschichte.
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