ANALYSE. Das Sozialversicherungswesen macht die Macht der Kammern und des Gewerkschaftsbundes erst so richtig deutlich.
Den Finanzminister als Schatzmeister oder Säckelwart der Republik zu bezeichnen, ist schwer übertrieben; so groß ist sein Einfluss denn auch wieder nicht: Hans Jörg Schelling (ÖVP) konnte im vergangenen Jahr zwar Steuereinnahmen in Höhe von 82,43 Milliarden Euro verbuchen. Abzüglich der Überweisungen an EU, Länder und Gemeinden sind ihm netto jedoch nur 50,37 Milliarden Euro geblieben. Damit konnte er Politik im Sinne des Gemeinwesens machen.
50,37 Milliarden Euro ist eine stolze Summe. Einerseits. Andererseits verzeichneten die Sozialversicherungen im vergangenen Jahr Gesamteinnahmen in Höhe von 58,21 Milliarden Euro, wovon 46,38 Milliarden Euro durch Beiträge der Versicherten zustande gekommen waren.
50,37 Milliarden Euro an Nettosteuereinnahmen und 46,38 Milliarden Euro an Sozialversicherungsbeiträgen: Das sind die Zahlen, die sehr viel über die Machtverhältnisse in dieser Republik aussagen. Für die Steuern ist der Finanzminister verantwortlich, für die Sozialversicherungsbeiträge sind es die Sozialpartner, die die Pensions- und Krankenversicherungen ja in Selbstverwaltung führen. Wobei die Beitragseinnahmen nicht einmal ausreichen; zur Sicherung der Altersversorgung mussten allein im vergangenen Jahr Steuermittel in Höhe von 10,2 Milliarden Euro extra zugeschossen werden.
Mit den Verantwortlichkeiten ist es in den beiden Bereichen so eine Sache: Der Finanzminister kann durch den Nationalrat, der wiederum vom Volk gewählt wird, zur Verantwortung gezogen werden. Bei den Sozialversicherungen ist das komplizierter; da gibt es nur entfernt, allenfalls über die Kammerwahlen, die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.
Auch das ist es wohl, was dazu führt, dass bei Entlastungsdebatten nur selten über Sozialversicherungsbeiträge, sondern meist über Steuern diskutiert wird. Dabei würde es da wie dort um ähnlich große Summen gehen.