Nicht bestanden

-

ANALYSE. Wie Korruption in Österreich ermöglicht wird. Fallbeispiel Führerscheinprüfungen.

Gut und gerne 2000 Fahrschüler könnten in Vorarlberg im vergangenen Jahr zu Unrecht durchgefallen sein bei der Führerscheinprüfung. Mit 48 Prozent war die Durchfallquote etwa doppelt so groß wie im benachbarten Tirol. Wenn sie – bei insgesamt knapp 8000 Kandidaten – gleich groß gewesen wäre wie dort, hätten rund 2000 kein negatives, sondern ein positives Ergebnis erzielt.

Schon damals war die Verwunderung groß. Der seinerzeitige Verkehrslandesrat Marco Tittler (ÖVP) kündigte im Juni 2024 eine Arbeitsgruppe an, die der Sache nachgehen sollte: Warum fallen im äußersten Westen so viele durch? Können sie nicht Autofahren, kapieren sie die Regeln nicht oder was ist hier los? Nach der Ankündigung der Arbeitsgruppe, der Vertreter der Fahrschulen sowie der Wirtschaftskammer angehören sollten, war öffentlich nie mehr etwas zu hören von ihr.

Das hat vielleicht damit zu tun, dass sie falsch zusammengesetzt war. Die „Vorarlberger Nachrichten“ decken gerade Stück für Stück einen Skandal auf: Öffentlich Bedienstete, darunter auch Richter und Staatsanwälte, seien als Sachverständige bei den Prüfungen dabei gewesen. Sie hätten dadurch Nebeneinkünfte von bis zu knapp 50.000 Euro pro Jahr erzielt. Wobei der Verdacht besteht, dass einige willkürlich vorgegangen sind. Viele Prüflinge, die sich bei der Zeitung in den vergangenen Wochen gemeldet haben, hätten angegeben, aus nicht nachvollziehbaren Gründen durchgefallen zu sein. Sodass sie ein weiteres Mal antreten mussten bzw. eine weitere Prüfung notwendig wurde – inklusive weiterer Vergütung für die Prüfer.

Die Größenordnung legt den Schluss nahe, dass hier ein Systemversagen vorliegt.

Es kommt nicht irgendwoher. Von der breiteren Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, weil sperrig, hat der Rechnungshof vor dem Sommer einen Bericht zu „Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigungen“ öffentlich Bediensteter vorgelegt. Als Motiv, sich diesen zu widmen, gab er an, dass sich bei mehreren Prüfungen in der Vergangenheit gezeigt habe, dass der Umgang damit „eine wiederkehrende – und problematische – Thematik“ sei: „Insbesondere, weil mit Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigungen potenzielle Interessenskonflikte verbunden sein können, die staatliche Verwaltung aber eine qualitativ hochwertige und objektive Aufgabenerbringung sicherzustellen hat.“

Unter die Lupe genommen hat der Rechnungshof auch „Prüftätigkeiten im Verkehrswesen“ im Jahr 2022. Und zwar im damaligen Klimaschutzministerium (heute Infrastruktur) sowie bei den Ländern Burgenland und Oberösterreich. Hier seien durchwegs Bedienstete als Prüferinnen und Prüfer tätig gewesen. Genauer: Zwei Bedienstete des Klimaschutzministeriums, 16 burgenländische und 18 oberösterreichische Landesbedienstete. Nachsatz: „Dafür wurden rd. 326.100 EUR an Vergütungen ausbezahlt“. Also durchschnittlich 9000 Euro pro Kopf.

Ihre Behörden haben ganz offensichtlich nicht weiter hingeschaut. Im Rechnungshofbericht heißt es jedenfalls: „Im Klimaschutzministerium sowie in den Ländern Burgenland und Oberösterreich erfolgte durch die Dienstbehörde bzw. Personalstelle vor der Auszahlung keine prozesshafte Prüfung, ob die Fahrprüftätgkeit in der Dienstzeit oder in der Freizeit ausgeübt worden war. Dies, obwohl die Höhe der Vergütung davon abhängig war, ob sie in der Freizeit oder in der Dienstzeit ausgeführt wurde.“

Insofern ist es wenig verwunderlich, dass in Vorarlberg, das vom Rechnungshof hier leider nicht unter die Lupe genommen worden ist, niemandem auffiel, dass – inklusive Wiederholungen – ungewöhnlich viele Fahrprüfungen stattgefunden haben haben bzw. Prüftätigkeiten auf Kosten der Steuerzahler vergütet worden sind.

Sicher jedenfalls hätte die Arbeitsgruppe, die im vergangenen Jahr vom damaligen Verkehrslandesrat angekündigt worden ist, von vornherein zur Chefsache erklärt werden müssen: Die (auch politische) Verantwortung in der Sache tragen der Infrastrukturminister und der Landeshauptmann, in Vorarlberg also Markus Wallner (ÖVP). Seine Amtsbezeichnung kommt in der Fahrprüfungsverordnung denn auch 47 Mal vor.

Er ist eingebunden in die Qualitätssicherung und hat laut §13 beispielsweise auch allfällige Konsequenzen zu ziehen. Zitat: „Bei Verdacht auf schwere Unzulänglichkeiten bei der Abnahme einer praktischen Fahrprüfung durch einen Fahrprüfer oder wenn er seine Entscheidung in den Prüfungsprotokollen nur mangelhaft begründet, ist der Fahrprüfer vom Landeshauptmann auf seine Eignung zu überprüfen und allenfalls seiner Funktion zu entheben oder zumindest nicht mehr zur Gutachtenserstellung heranzuziehen.“

Zur Chefsache erklärt hat Wallner das freilich erst jetzt, um fünf nach zwölf bzw. nach großer medialer Berichterstattung: „Vorarlbergerinnen und Vorarlberger haben ein Recht auf faire Fahrprüfungen“, stellte er gemeinsam mit Verkehrsreferent Christof Bitschi (FPÖ) Maßnahmen in Aussicht. Für die erwähnten gut und gerne 2000 Fahrschüler allein im vergangenen Jahr zum Beispiel ist es zu spät, rächt sich, dass Korruption hier bisher so stattfinden durfte.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner