Zum alten Eisen

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ANALYSE. Der ORF trennt sich von Leuten, die noch keine 60 Jahre alt sind. Solche Dinge machen jegliche Pensionsreform-Debatte schwer bis unmöglich.

In einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ berichtet ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, dass die 71 Mitarbeiterinnen und Miterbeiter, die auf der vielzitierten „Gagenliste“ stehen, 15,5 Millionen Euro kosten würden, dass man insgesamt beim Personal im vergangenen Jahr 20 Millionen Euro eingespart habe sowie er und die übrigen Mitglieder der Geschäftsführung um zehn bis 15 Prozent weniger verdienen würden als die Vorgänger.

Folgefrage: „Wird das reichen, um die Sparziele zu erreichen?“ Weißmann: „Wir haben in dieser Woche 350 Mitarbeitern ein Handshake-Angebot gemacht. Handshake, nicht Golden Handshake. Frauen ab dem 58. und Männer ab dem 59. Lebensjahr können vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters das Unternehmen verlassen.“

Das ist nicht verboten und betriebswirtschaftlich vielleicht sogar gut und vernünftig. Im Übrigen ist derlei jedoch verheerend: Hier wird signalisiert, dass Ältere unternehmerisch zur Last fallen und in gewisser Weise als Arbeitskraft auch keinen Wert mehr haben. Wobei man natürlich wieder dagegenhalten könnte, dass Personalkosten insgesamt mit dem Alter eine Entwicklung nehmen, die für ein Unternehmen nicht vernachlässigbar ist, um es vorsichtig zu auszudrücken.

Der Punkt ist jedoch: Unter solchen Umständen kann man sich nicht erwarten, dass eine breitere Öffentlichkeit bei einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters auf, sagen wir, 67 mitzieht. Beim ORF, einem öffentlichen Unternehmen, werden besagte Frauen und Männer dann schon bald zehn Jahre nicht mehr gebraucht oder gewollt.

Wer eine Pensionsreform durchziehen will, muss sich um eine Mehrheit dafür bemühen. Sie muss nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen, aber zumindest Verständnis dafür haben, dass es aus finanziellen Gründen für den Gesamtstaat sowie im Sinne nachfolgender Generationen vernünftig ist, Schritte zu setzen. Wichtig dafür ist im Übrigen, dass man signalisiert, dass Ältere wertvolle, ja unverzichtbare Mitarbeiter sind – und kein altes Eisen, das man bei erstbester Gelegenheit entsorgt.

Wichtig erscheint abgesehen davon, dass man auf bestimmte Unterschiede eingeht. Beispiel: Das WIFO hat in einer Studie dargestellt, wie viele Männer und Frauen direkt vom Erwerbs- in die Alterspension wechseln. Insgesamt sind das jeweils etwas mehr als 70 Prozent der unselbstständig Beschäftigten. In der öffentlichen Verwaltung sind es etwa 90 Prozent, bei Frauen in der Land- und Forstwirtschaft hingegen nur 42 sowie bei Männern auf dem Bau 45 Prozent. Um weniger als die Hälfte handelte es sich bei beiden auch im Wirtschaftsabschnitt Beherbergung und Gastronomie.

Das sagt was: Hier gibt es bei mehr als der Hälfte keinen Direktübertritt, sondern eine sogenannte Erwerbslücke. Typische Gründe: Arbeitslosigkeit, Krankheit. Für Betroffene ist also schon ein herkömmlicher Pensionszugang nicht erreichbar. Sehr wohl und eher ist das aber für öffentlich Bedienstete der Fall oder (siehe Grafik) für Frauen und Männer etwa, die im Finanz- und Versicherungsgewerbe tätig sind – auch bei ihnen ist die Quote der Direktübertritte in die Pension mit 80 bzw. 85 Prozent vergleichsweise hoch.

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