Mindestsicherung: Nicht einfach

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BERICHT. Ein Blick darauf, wer die Leistung in Wien bezieht, zeigt, wie vielschichtig das Problem ist.

Dazu, dass die Mindestsicherung reformbedürftig ist, gibt es einen Konsens. Er beschränkt sich jedoch allein darauf. Schon die Motive unterscheiden sich: Im Sozialbericht des Sozialministeriums wird etwa ausgeführt, dass die Leistung, die außerhalb von Wien Sozialhilfe heißt, unzulänglich sei zur Armutsbekämpfung. So würden nicht wenige darauf verzichten, weil eine Stigmatisierung damit einhergehe. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die gerade nach den 4600 Euro inkl. Wohnbeihilfe für eine neunköpfige Familie aus Syrien „Kürzung!“ rufen. Sie vermitteln den Eindruck, dass es hier allein um Steuergeld fürs Nichtstun oder gar ein Leben in der Hängematte gehe.

Schaut man sich die Zusammensetzung der Bezieherinnen und Bezieher in Wien an, wird deutlich, dass die Mindestsicherung oder Sozialhilfe eher eine Unterstützung für alle ist, die nichts oder sehr wenig verdienen; oder deren Schicksal das ihrer Eltern ist.

Fast ein Drittel der 136.024 Bezieherinnen und Bezieher Ende des vergangenen Jahres waren Kinder bis 14. Das ist die „stärkste“ Altersgruppe. Grob gesprochen knapp die Hälfte waren wiederum Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigte. Das ist auf eine kaum wahrgenommene Funktion der Leistung zurückzuführen: Sie soll nicht nur vor einem Totalabsturz bewahren, sondern denen, die ohne Mittel sowie mit unzureichenden Qualifikationen (Sprache etc.) nach Österreich kommen, eine Starthilfe sein.

Mehr als die Hälfte aller Bezieherinnen und Bezieher verfügt über ein Einkommen. Dabei handelt es sich um Erwerbseinkommen genauso wie ein Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe, ein Stipendium oder eine Pension. Der Punkt ist, dass es in ihrem Fall so gering ist, dass ihnen ergänzend eine gewisse Mindestsicherung ausbezahlt wird.

Das Ganze weist darauf hin, dass es bei Mindestsicherungsbezieher:innen extrem unterschiedliche Problemstellungen und Erfordernisse gibt, denen keine Stelle allein gerecht werden kann. Bei Pensionisten zum Beispiel kann das AMS nichts tun. Sehr wohl aber kann es das bei jemandem, der arbeitsfähig ist, einen Job verloren oder selbst gekündigt hat; oder der nur einen schlecht bezahlten Job hat; oder der als Asylberechtigter Unterstützung braucht, um in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Stichwort Starthilfe eben. In einem Bericht der WU Wien heißt es dazu freilich, dass Geflüchtete Bezieher:innen mit besonderen Bedürfnissen seien, „an denen das öffentliche Hilfesystem regelmäßig scheitert“. Und zwar auch, weil sie „mit dem Hilfesystem häufig nicht gut umgehen“ könnten. Das unterstreicht, wie groß die Herausforderungen sind.

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