Welche Neutralität?

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ZAHLEN ZUM TAG. Zum 70-jährigen Bestehen wirken Umfrageergebnisse deutlicher als sie sind.

Auch bei der jüngsten Befragungswelle zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen haben Wissenschaftler der Uni Innsbruck im Rahmen des Projekts AFP3 erhoben, wie Österreicherinnen und Österreicher zur Neutralität stehen. Das Ergebnis erklärt zum Teil, warum es 70 Jahre nach der Beschlussfassung so schwer ist, eine Debatte zu führen; es fehlt an entscheidenden Grundlagen.

Vor die Wahl gestellt, sprechen sich nur 13 Prozent dafür aus, der Nato beizutreten und überhaupt nur neun Prozent, die Neutralität aufzugeben. 36 würden es vorziehen, zu einer umfassenden Neutralität überzugehen. Die mit Abstand meisten – nämlich 59 Prozent – würden bei der derzeitigen Form bleiben.

Wobei: Es ist nicht belegt, aber wahrscheinlich, dass es sehr unterschiedliche und auch vage Vorstellungen davon gibt, was die derzeitige Form ist. Dass beispielsweise ein Verfassungsartikel 23j existiert, der es Österreich ermöglicht, uneingeschränkt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU teilzunehmen und – sofern es will – einem anderen Mitgliedsland im Falle eines militärischen Angriffs auch ebensolchen Beistand zu leisten, dürfte hierzulande alles andere als klar sein.

Für einen solchen Beistand sprechen sich laut der Umfrage jedenfalls weniger als 20 Prozent aus. Kein Wunder: Auf den ersten Blick würde es sich um eine klare Neutralitätsverletzung handeln. Sie wäre aber eben durch Artikel 23j gedeckt, der weitgehend unbekannt ist. Warum? Weil nie groß darüber geredet wird.

Die wichtigste Funktion der Neutralität ist für die Bevölkerung eine identitätsstiftende. 80 Prozent der Befragten sehen sie. Auch das ist Folge einer fehlenden Auseinandersetzung mit ihr. Identitätsstiftendes ist grundsätzlich nicht schlecht. Gerade im Lichte der gegenwärtigen Sicherheits- bzw. Bedrohungslage ist es jedoch zu wenig.

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