BERICHT. Bei einem bewaffneten Angriff auf Österreich wäre nicht einmal jeder Siebente bereit, das Land mit der Waffe zu verteidigen.
In Schweden, wo Russland sehr nahe ist, gibt es infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine eine offene Auseinandersetzung mit Sicherheit und Verteidigung. In Österreich ist das nicht der Fall. Jegliche Debatte ist mit dem Hinweis auf eine Neutralität abgewürgt worden, von der kaum ein Mensch weiß, wofür sie steht und was damit einhergehen würde (z.B. Aufrechterhaltung der eigenen Verteidigungsfähigkeit).
Auch im laufenden Nationalratswahlkampf wird das Thema gemieden. Größte Ausnahmen: Freiheitliche geben vor, für eine Neutralität zu sein und der Ukraine daher keinerlei Unterstützung mehr gewähren zu wollen, das Land also Wladimir Putin zu überlassen. Neos tritt weiterhin für eine gemeinsame europäische Verteidigung mit einem Freiwilligenheer ein.
All das färbt auf die Sichtweise der Menschen in Österreich ab, wie der Politikwissenschaftler Franz Eder von der Universität Innsbruck jüngst in den „Vorarlberger Nachrichten“ erklärte. Genauer: Weil es keine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung gebe, gebe es auch kein Problembewusstsein. Verfestigen sich eher sogar bekannte Sichtweisen: Laut einer Befragung im Rahmen des „Austrian Foreign Policy Panel Projects“ (ADP3) der Uni sprechen sich zum Beispiel zwei Drittel gegen eine Aufgabe der Neutralität und einen Beitritt zur Nato aus. Das sind laut Eder sogar etwas mehr als bei einer Befragungswelle mit ebenfalls rund 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor einem Jahr. Das Problem, das er sieht, ist, dass Neutralität eher nur als identitätsstiftend angesehen werden könnte. Das wäre zu wenig.
Aussagekräftiger ist vielleicht sogar, dass die Wehrbereitschaft leicht zurückgegangen ist. Erklärten vor einem Jahr 15,1 Prozent, dass sie im Fall eines bewaffneten Angriffs auf Österreich gewillt wären, es mit der Waffe zu verteidigen, tun es heute nur noch 13,6 Prozent. Umgekehrt erklären mit 14,6 Prozent etwas mehr, dass sie gar keinen Beitrag leisten würden und 11,2 Prozent, es nicht zu wissen. Der relativ meisten (25,7 Prozent) würden einen Beitrag zur zivilen Verteidigung leisten (z.B. Sanitätsdienst), 18,8 Prozent einen anderen militärischen Beitrag (z.B. Versorgung von Soldaten). In skandinavischen Ländern liegt die Wehrbereitschaft mit der Waffe laut Eder bei 80, 90 Prozent.