Schlicht unkoordiniert

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ANALYSE. Wie schon in der Coronakrise machen Bund und Länder, was sie aus unterschiedlichsten Gründen für notwendig erachten. Das kann einmal mehr teuer werden.

Schade, dass aus der Transparenzdatenbank, die Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) einst vorgeschlagen hat, nicht das geworden ist, was beabsichtigt war: Ein Überblick über alle Leistungen, die Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen gewähren. Pröll sprach von einer besseren Grundlage für politische Entscheidungen. Ist ja klar: Man hätte entdeckt, wo doppelt und dreifach und überhaupt zu viel Geld fließt – und natürlich auch, wo es Lücken gibt. Josef Pröll hat sich mit dieser Idee nicht nur Freunde gemacht; im Gegenteil. Transparenz hat auch in diesem Fall einflussreiche Feinde: Kaum ein Landeshauptmann und auch kaum ein Bürgermeister wollte riskieren, Leistungen schlussendlich kürzen oder gar streichen zu müssen. Das hätte möglicherweise Wählerstimmen gekostet.

Die Gebietskörperschaften bilden zusammen zwar den Statt, arbeiten aber nur zusammen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Das ist ein Problem: In der Coronapandemie ist es laut Rechnungshof in gesundheitlicher Hinsicht zu unkoordinierten Handlungen von Bund und Ländern gekommen. Schlimmer: Auch beim Bund selbst haperte es. Bürgerinnen und Bürger haben es mitbekommen: Der Gesundheitsminister – zuerst Rudolf Anschober, dann Wolfgang Mückstein (beide Grüne) – konnte oder wollte seinen Willen nicht durchsetzen gegenüber Landeshauptleuten wie Wilfried Haslauer und Thomas Stelzer (ÖVP), die bis zuletzt fanden, dass es keinen Handlungsbedarf gebe. Und in der Regierung fand etwa Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Unterschied zum Minister, dass die Pandemie gemeistert sei.

Bei dem Ganzen gab es auch eine finanzielle Komponente: Ebenfalls der Rechnungshof hat versucht, alle Hilfsmaßnahmen zu erfassen. Laut einer heuer aktualisierten Fassung gab es bis Mitte 2021 insgesamt 528 verschiedene Maßnahmen, die Bund und Länder gewährten, von Zuschüssen über Sachleistungen bis hin zu Kapitalbeteiligungen. Gesamtvolumen aller tatsächlich gewährten Hilfen: 34,5 Milliarden Euro. Was dazu (noch) fehlt, ist eine Aussage darüber, wie treffsicher, geschweige denn abgestimmt, das alles war. Zumindest für den Tourismus ortete der Rechnungshof das Risiko einer Überförderung. Branchenvertreter wiesen dies zurück.

Doch wir befinden uns schon in der nächsten Krise: Der Bund schnürt ein Ausgleichspaket nach dem anderen zur Teuerung, die Länder tun es ebenfalls. Niederösterreich hat bereits im Sommer einen Strompreisdeckel verkündet, Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist nun mit seinem Kabinett mit einem größeren nachgezogen. Aus St. Pölten lässt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Vorwahlkampflaune wissen, dass das an den dortigen Maßnahmen nichts ändere. Ergebnis: Die Gratiszeitung „Heute“ hat recherchiert, dass zumindest für sparsame Haushalte eine Gutschrift herauskommen könnte.

Noch kann man darüber lachen. Der Chef des Fiskalrates (früher: Staatsschuldenausschuss) warnte diese Woche auf ORF III jedoch, dass das Geld, das jetzt ausgegeben wird, bald noch dringender gebraucht werden könnte; zum Beispiel für Menschen in wirtschaftlichen Nöten.

Laut Bundesministeriengesetz wäre es Aufgabe des Kanzlers, auf ein „einheitliches Zusammenarbeiten“ der Gebietskörperschaften hinzuwirken. Erst recht in Krisenzeiten, dann wäre er zu „anlassbezogener Koordination“ verpflichtet. Realpolitisch ist das aber so unrealistisch, wie es ein Durchgreifen des Gesundheitsministers gegenüber Landeshauptleuten in der Pandemie war. Damals hat man im Kanzleramt – ja, auch unter Kurz – aber immerhin versucht, regelmäßig alle wesentlichen Player für Besprechungen zusammenzubringen. Nicht einmal das ist heute wahrnehmbar.

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