ANALYSE. Die Regierung versucht, Informationsflüsse immer mehr zu kontrollieren. Die Methoden sind zum Teil fragwürdig.
Ja, noch hat sich jede Regierung bemüht, Informationsflüsse zu kontrollieren. Unter Viktor Klima hat’s dazu sogar „Spin“-Doktoren gegeben. Und in Christian Kerns Team sind zuletzt sehr konkrete Pläne geschmiedet worden, wie man den ORF nach einer unangenehmen Sendung für den ehemaligen Kanzler bestrafen könnte (z.B. durch einen Boykott von Pressestunden). Die Liste ließe sich fortsetzen. So ist es nicht.
Keine Regierung aber zieht „Message Control“ so konsequent durch, wie es sonst allenfalls nur in professionell agierenden Konzernen getan wird; weniger aber in einer liberalen Demokratie, in der divergierende Aussagen nicht nur der Allgemeinunterhaltung dienen, sondern substanzielle Systembestandteile sein müssen.
Wie „Message Control“ funktioniert? Mehr und mehr Elemente kommen zusammen.
- Zunächst war da die Bestellung eines Regierungssprechers. Peter Launsky-Tieffenthal soll dazu beitragen, dass nicht mehr laufend jeder Koalitionspartner seine Version einer Geschichte präsentiert, sondern dass es eine Botschaft gibt. Er spielt im übrigen insbesondere Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) frei, indem er an dessen Stelle spricht.
- Das zieht sich weiter zu einer Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit aller Regierungsmitglieder. Die meisten unterwerfen sich dieser bedingungslos, sodass von ihnen kaum etwas Eigenständiges überliefert ist (ähnliches gilt nebenbei auch für Abgeordnete).
- Sonstige Öffentlichkeitsarbeit, die institutionalisiert ist, wird abgebaut. Der Bundespressedienst wurde aufgelöst. Die Pressestelle der Statistik Austria ist verkleinert worden. Diejenige des Bundeskriminalamtes übersiedelt ins „Mutterhaus“, wie der Sektionschef des dortigen Innenministeriums, Karl Hutter, erklärt: Um ihre (gewisse) Eigenständigkeit ist es damit geschehen.
Beim Mordfall an der BH Dornbirn hat man gesehen, was das bedeutet.
- Das Innenministerium hat nun auch sehr konkrete Richtlinien für nachgeordnete Dienststellen herausgegeben: „Die Öffentlichkeitsarbeit hat nach den Grundsätzen „one voice – one message“ zu erfolgen“, heißt es darin. Beim Mordfall an der BH Dornbirn hat man gesehen, was das bedeutet: Involvierte Stellen müssen schweigen, das Umfeld des politisch verantwortlichen Ressortchefs Herbert Kickl (FPÖ) verbreitet eine bzw. seine Version der Ereignisse (der Asylantrag des mutmaßlichen Täters konnte demnach nicht nicht angenommen werden, der Mann nicht in Schubhaft genommen werden und so weiter und so fort).
- Wenn’s zu spät ist oder sich etwas nicht verhindern lässt, gibt’s Diskussionsverweigerung. Sie kann bei der ÖVP beispielsweise so ausschauen: Der Kritik von Reinhold Mitterlehner wurde mit der Botschaft begegnet, dass er seine Ablöse nicht verkraftet und ein Problem mit seiner Eitelkeit habe. Ziel: Diskreditierung.
- Hilft alles nichts, geht’s auch so: Während Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) den ORF der Lüge bezichtigte (und sich dafür später entschuldigte), sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem Ö3-Bericht über die automatische Erhöhung der Parteienförderung von „Falschinformation“. Auch das ist eine Form der Diskreditierung. In diesem Fall gibt es aber noch wirkungsvolle Hebel, um sich die Berichterstattung zu richten, wie es einem (bzw. der Regierung) gefällt. Beim ORF ist es eine drohende Reform, die die wirtschaftliche Grundlage des Senders schwächt oder eben nicht schwächt; und bei den Zeitungen sind es Inserate, über die sich dasselbe in Cash bewerkstelligen lässt.
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