Wie halten wir’s mit Österreich?

KOMMENTAR. Was zu einem gelungenen Gedenkjahr 2018 unter anderem fehlt: Absage an Deutschnationalismus, Definition eines modernen Österreich-Begriffs.

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KOMMENTAR. Was zu einem gelungenen Gedenkjahr 2018 unter anderem fehlt: Absage an Deutschnationalismus, Definition eines modernen Österreich-Begriffs.

Wahrscheinlich fehlt der österreichischen Geschichte eine Revolution; und zwar in dem Sinne, dass aus Ablehnung für Autoritäres eigenständiges, selbstbewusstes, demokratisches Neues entsteht. 1918 fiel zwar die Monarchie, gekommen ist aber nur eine Republik Deutschösterreich. Der Grund ist bekannt: Man glaubte nicht daran, allein überleben zu können. 1945 kam zwar die (Zweite) Republik Österreich. In ihr aber konnte sich ein deutschnationales Lager so bestimmend halten, dass auch die Großparteien über weite Strecken eher nur ängstlich-zurückhaltend damit umgingen, sofern sie sich nicht überhaupt auf eine Zusammenarbeit damit einließen.

Ein Ergebnis sieht man heute: Mit der FPÖ steht zum bereits dritten Mal nach den 1980ern (Rot-Blau) und den 2000er Jahren (Schwarz-Blau I) eine Partei in Regierungsverantwortung, in der ein diffuses Verhältnis zu Österreich herrscht. Wobei es nicht so ist, dass sich die FPÖ nicht gewandelt hätte: „Von einer liberalen Grundausrichtung unter der Obmannschaft von Norbert Steger entwickelte sich die Partei nach der Kampfabstimmung und Parteiübernahme durch Jörg Haider 1986 hin zu deutschnationalen Partei, um sich Mitte der 1990er Jahre zu einer „österreichpatriotischen“ Partei zu wandeln“, wie Martin Ager in einer Bachelor-Arbeit einen kleinen Teil ganz gut zusammenfasst.

„Die überwiegende Mehrheit der Österreicher ist Teil der deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft.“ (FPÖ-Programm)

Doch heute gibt es da wieder eine gegenläufige Entwicklung: „Die überwiegende Mehrheit der Österreicher ist Teil der deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft“, heißt es im FPÖ-Programm. Und geradezu exzessiv praktiziert wird diese Einstellung von deutschnationalen Burschenschaftern, die unter Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache wieder eine Rolle spielen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Verhältnisse, in denen sie sich umtreiben, sind an dieser Stelle mehrfach beschrieben worden: Die „Aldania Wien“, der der Nationalratsabgeordnete Maximilian Kraus angehört, definiert sich selbst als „deutschbewusst“: „Wir Österreicher sind zum großen Teil Angehörige der deutschen Kultur- und Volksgemeinschaft“, hält sie praktisch gleichlautend mit dem Parteiprogramm fest. „Albia Wien“ des Abgeordneten Gerhard Kaniak teilt wiederum mit, dass das Lied des „Schwarz-Rot-Goldenen-Kartells“ ihr Selbstverständnis beschreibe. Darin heißt es: „Du sollst den Tod nicht scheuen fürs deutsche Vaterland!“

Das Gedenkjahr 2018 wäre vor diesem Hintergrund ein Auftrag, noch genauer hinzuschauen, was sich halten konnte, was in all den Jahren versäumt worden ist – und einen Konsens für ein Österreich mit einer offenen Gesellschaft in einer globalisierten Welt zu entwickeln.

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