ANALYSE. Was für einen Rücktritt des Vorarlberger Landeshaupt- und ÖVP-Obmannes sprechen würde und warum man ihm mit einem Misstrauensvotum einen Gefallen machen könnte.
Muss Vorarlbergs Landeshaupt- und ÖVP-Obmann Markus Wallner (ÖVP) jetzt nicht wirklich zurücktreten? Rechtlich kann er bleiben. Eine rote Linie in diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel, dass eine Voraussetzung für seine Wählbarkeit abhandenkommt; das ist nicht geschehen. Politisch handelt es sich um eine Frage des Standpunktes: Schwarz-Türkise werden – die Wette gilt – auf den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) verweisen, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatanwaltschaft (WKStA) sechs Jahre lang wegen des Verdachts der Untreue ermittelte, ehe das Verfahren 2018 eingestellt wurde; oder auf den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der erst vor wenigen Wochen nach Einstellung von WKStA-Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss aufatmen konnte. Wallner hat die WKStA nun wegen des Verdachts der Vorteilsnahme am Hals. Sie geht Vorwürfen von (der Öffentlichkeit) unbekannter Seite nach, er habe sich selbst um Inserate in einem Magazin des ÖVP-Wirtschaftsbundes bemüht und dafür auch eine Gegenleistung des Landes in Aussicht gestellt. Er selbst sagt, das sei eine Lüge.
Politisch wird Wallner mehr und mehr zu einem Problem für die eigene Partei. Professionell hätte auf den ersten Blick zum Beispiel dies sein können: Wallner zeigt sich nicht nur empört über die Vorgänge im Wirtschaftsbund. Er hält eine Grundsatzrede und präsentiert ein 5-Punkte-Programm, das einem „subara Ländle“ gerecht wird. Im Übrigen sorgt er hinter den Kulissen dafür, dass der Wirtschaftsbund mit einem unbelasteten Übergangsobmann glaubhaft wie sichtbar Konsequenzen zieht. Er selbst würde abgesehen davon natürlich betonen, dass er nichts zu verbergen habe und sein Tun gerne auch von einem Landtags-Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen werden könne.
Vielleicht hat sich Wallner das alles schon von vornherein selbst verbaut, indem er Schritt für Schritt weiter in den Sumpf wanderte, der sich da auftut beim und rund um den Wirtschaftsbund (der Ausdruck „Sumpf“ stammt von dessen langjährigem Funktionär Christoph Hinteregger; Anm.). Er verwehrte Informationen, bis es nicht mehr anders ging, als doch etwas zu bestätigen. Im Dezember hatte er noch eine Auskunft darüber verweigert, wie viel der Wirtschaftsbund der Landespartei überweise. Später hieß es, dass für Wahlkämpfe insgesamt 900.000 Euro geflossen seien in den vergangenen Jahren. Das hätte er gleich mitteilen können, ja müssen.
Sehr wahrscheinlich kann Wallner jedoch gar nicht anders: Er ist schon lange Chef des Landes und der Partei, die mit dem Wirtschaftsbund gewissermaßen eine Dreiecksbeziehung leb(t)en. Er steht an der Verantwortungsspitze. Auch Dinge, mit denen er nicht direkt etwas zu tun hatte, werden so zu den Seinen. Schlimmer: Unübersehbar direkt sind sie es spätestens jetzt geworden, da eben diese WKStA-Ermittlungen aufgenommen worden sind.
Bekannt wurden sie ausgerechnet am Tag, nachdem die ZIB2 berichtet hatte, Mitte April habe Wallner seine Handy- und Tablet-Daten löschen lassen wollen. Sein Büro betont, es habe sich um eine Routineakt gehandelt, alle Daten seien noch vorhanden. Die Optik ist so oder so fatal – weil sich die Sache zeitlich mit ersten Berichten über Vorerhebungen gegen ihn deckt.
Muss Wallner zurücktreten? Politisch gibt es Argumente dafür. In der erwähnten Dreiecksbeziehung haben sich zweifelhafte Dinge abgespielt, die nicht zuletzt sehr viel von dem widersprechen, wofür Markus Wallner gegenüber den Wählerinnen und Wählern immer wieder aufgetreten ist – und wofür er von sehr vielen auch gewählt worden ist: Anstand, Sparsamkeit etc.
Er selbst will nicht zurücktreten und ob er gegangen wird, ist offen: Die Grünen im Landtag ließen zuletzt offen, ob sie einem Misstrauensvotum zustimmen werden. Angenommen, sie würden es tun: Es könnte durchaus im Interesse von Wallner sein. Natürlich würde es bei einer Neuwahl schmerzliche Verluste setzen.
Aber: Die Vorarlberger ÖVP ist – vereinfacht ausgedrückt – Wirtschaftsbund plus Wallner. Der Wirtschaftsbund ist aufgrund der Affäre vorübergehend außer Funktion. Von ihm hat Wallner nichts zu befürchten und von den übrigen ÖVP-Resten schon gar nicht. Sprich: Wenn er morgen durch eine grün-blau-rot-pinke Mehrheit abgewählt wird, hat er gute Chancen, mit der Erzählung, er sei „gestürzt“ worden, als Jetzt-erst-recht-Spitzenkandidat für eine Neuwahl übermorgen durchzukommen. Das zeigt nebenbei, wie groß die Krise der Volkspartei gerade auch im äußersten Westen ist. Sie hätte nicht einmal mehr die Kraft, derlei zu verhindern.
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