ANALYSE. Warum eine Mitgliederabstimmung über eine Regierungsbeteiligung eine solche de facto unmöglich macht.
Die Sozialdemokratie entfernt sich in gewisser Weise von der repräsentativen Demokratie und macht einen Schritt auf die direkte zu: Künftig soll die Parteispitze nach Nationalratswahlen und entsprechenden Verhandlungen einen Koalitionspakt nicht mehr so ohne weiteres absegnen dürfen; sie soll vielmehr die Parteimitglieder darüber abstimmen lassen. Was zeitgeistig klingt, ist verhängnisvoll: So wird es Christian Kern kaum zurück ins Kanzleramt schaffen; und auch seinen Nachfolgern wird das nur schwer gelingen.
Die Perspektiven der SPÖ sind ja so oder so schon nicht besonders nelkig.
Die Perspektiven der SPÖ sind ja so oder so schon nicht besonders nelkig: ÖVP und FPÖ haben sich mehr oder weniger darauf festgelegt, nicht nur fünf, sondern gleich zehn Jahre zusammenzuarbeiten. Zufällig so lange, wie Christian Kern alles in allem in der Politik bleiben möchte. Wie auch immer: Die Not für eine der beiden Parteien, von diesem Zeitplan abzugehen, müsste schon sehr groß sein. Anfang der 2000er Jahre hat für die ÖVP nicht einmal das freiheitliche Knittelfeld ausgereicht. Ja nicht einmal eine FPÖ-Spaltung war Wolfgang Schüssel und Co. genug. Erst eine Wahlniederlage 2006 war zu viel. Widerwillig ließ sich die Volkspartei wieder auf eine „Große Koalition“ ein. Sie wiederum war von allem Anfang an vermurxt.
So viel vorweg. Durch eine Mitgliederabstimmung über einen Koalitionsvertrag erschwert sich die SPÖ den Weg zurück zu einer Regierungsbeteiligung jetzt auch noch selbst; und zwar massiv.
Wo anfangen? Hier: Das Risiko, das mit einer solchen Abstimmung einhergeht, ist extrem groß. Welcher potenzielle Koalitionspartner soll sich auf Verhandlungen einlassen, wenn er weiß, dass das, was am grünen Tisch vereinbart wird, hinterher durch eine Mehrheit der abstimmenden SPÖ-Funktionäre gekippt werden könnte? Es müsste ihm schon sehr schlecht gehen, dass er das tut. Ja, er müsste um jeden Preis an die Macht wollen. Und zwar auch den Preis, am Ende ohne irgendetwas dazustehen: Entweder hat er der SPÖ zuliebe extrem viele Zugeständnisse gemacht und selbst nichts durchgebracht. Oder die SPÖ-Basis lässt überhaupt alles hochgehen. Oder etwa nicht?
Strategischen Wählern, die nicht der SPÖ angehören, stellt die Partei mit einer Mitgliederbefragung eine ziemlich große Hürde hin.
Nein, das ist jetzt nicht ganz zu Ende gedacht: Man nehme an, ein vermeintlicher potenzieller Koalitionspartner lege es darauf an, die SPÖ kein Ergebnis herausholen zu lassen, das bei ihren Mitgliedern durchgeht. Und zwar in Anlehnung an Wolfgang Schüssels letzte Tat 2006/2007 mit Studiengebühren und so. Die SPÖ hätte dann nur zwei Möglichkeiten: Sie lässt die Verhandlungen platzen und nimmt sich damit möglicherweise selbst aus dem Koalitionsrennen. Oder sie lässt sich trotzdem auf einen Kompromiss ein und riskiert eine Mitgliederabstimmung, die unter Umständen mit einem Super-GAU für sie endet. Eine ganz dumme Geschichte.
Alles? Bei weitem nicht. Unter anderem wäre da noch dies: Strategischen Wählern, die nicht der SPÖ angehören, stellt die Partei mit einer Mitgliederbefragung eine ziemlich große Hürde hin. Sie jedenfalls können sich weniger denn je darauf verlassen, was der Vorsitzende und Spitzenkandidat verspricht. Zumal dieser weniger denn je in den eigenen Reihen entscheidend ist.