ANALYSE. Die Krisen von SPÖ und ÖVP haben vor allem auch mit Leuten wie Ludwig und Mikl-Leitner zu tun.
Was kann Michael Ludwig? Vorweg: Mehr als viele erwartet hatten, ehe er Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzender wurde. Es gab Leute, die haben da die Stadt schon in der Hand eines Mannes wie Heinz-Christian Strache gesehen. Zur Erinnerung: Bei der Gemeinderatswahl 2015 kam die FPÖ unter dessen Führung auf 31 Prozent. Und dann wurde vorerst nicht nur sie stärker und stärker, sondern vor allem auch die Sebastian-Kurz-ÖVP. Eine Mehrheit rechts der Mitte war nicht denkunmöglich in der Bundeshauptstadt. Am Ende zerlegten sich jedoch Blaue wie Türkise selbst. Bei der Gemeinderatswahl zwischendurch brachen die Blauen um 24 Prozentpunkte ein.
Das war der entscheidende Grund dafür, dass Ludwigs SPÖ wieder einsam wie ungefährdet an der Spitze stand (bzw. seither steht). Gemessen an den blauen Verlusten konnte sie selbst kaum zulegen: Sie gewann zwei Prozentpunkte.
Andererseits stellte Ludwig nach dieser Wahl vor zweieinhalb Jahren ein vielbeachtetes Kabinett zusammen und ging eine Koalition mit den Neos ein. Und tat sich in weiterer Folge in der Coronapandemie in einer Art und Weise als Krisenmanager hervor, dass nicht wenige Menschen fanden, dass er der bessere Kanzler wäre. Doch das ist Geschichte.
Bei dem, was Ludwig bisher alles in allem geliefert hat, ist es schwer zu sagen, was in Erinnerung bleiben könnte. Damit ist er nicht allein in der Politik. In seinem Fall wäre eine grundsätzliche Ausrichtung und eine dazu passende Strategie jedoch wichtig: Er ist der mächtigste Mann der Sozialdemokratie. Sie hat den Anspruch, eine Mehrheit anzusprechen.
Dass Pamela Rendi-Wagner Nachfolgerin von Christian Kern wurde, liegt ebenso entscheidend in seiner Verantwortung wie der Umstand, dass sie bisher bleiben konnte; dabei ging es ihm vor allem darum, seinen Landeschef-Kollegen Hans Peter Doskozil zu verhindern. Verhängnisvoll ist auch, dass er sich – wenn schon, denn schon – nicht mit ihr zusammengetan hat, um inhaltliche und personelle Fragen zu klären. Es ist schon zu lange offensichtlich, dass sie diesbezüglich Handlungsbedarf hätte.
Besonders in einer SPÖ, die nicht den Kanzler, die Kanzlerin stellt, haben Länderchefs und führende Gewerkschafter das Sagen. Allen voran: Michael Ludwig. Der Zustand der Partei ist daher auch ihm zuzuschreiben.
Bei der ÖVP gibt es Parallelen. Es ist jedoch unnötig, sich um Vergleiche zu bemühen. Nur so viel: Auch in der Volkspartei geht die Krise in erster Linie von den Ländern aus. Länderchefs waren es nicht nur, die 2021 die Impfpflicht durchsetzten. 2017 sind sie vor allem auch zum Schluss gekommen, dass ihre Partei erledigt ist. Ihre Antwort darauf war, Reinhold Mitterlehner fallenzulassen und alles – inkl. weitreichender, demokratiepolitisch bedenklicher Vollmachten – Sebastian Kurz zu übertragen. Er hat seine Möglichkeiten genützt. Das Ergebnis ist bekannt.
Die Länderchefs haben sich zurückgelehnt und sich in seinen Strahlen gesonnt. Sie haben sich der Illusion hingegeben, dass sie es nicht nötig haben, sich mit substanziellen politischen Fragestellungen und Zielen auseinanderzusetzen.
Auf diese Idee sind sie nicht einmal nach dem Kurz-Abgang gekommen. Also ist in Tirol Günther Platter geflüchtet und hat einen Anton Mattle ein Wahldebakel einfahren lassen. Also ist auch Johanna Mikl-Leitner in ein solches geschlittert. Also ertappt man sich selbst, nicht auf der Stelle zu wissen, wer eigentlich steirischer Landeshauptmann ist. Von diesem, von Christopher Drexler, kommt nichts. Dem bunten Vogel von früher sind die Ideen ausgegangen. Oder er traut sich nichts mehr. Beides wäre schlimm.
Es liegt in der Natur der Sache, dass vor einem solchen Hintergrund nicht mehr als Karl Nehammer als Bundesparteiobmann sein kann, der mit seiner Rede zur Zukunft der Nation gezeigt hat, dass er keinen Plan für die Zukunft der Nation hat. Außer jenem, sich an Inhalten von Sebastian Kurz zu orientieren und zu versuchen, damit freiheitliche Wähler zu umwerben.