ANALYSE. Warum es zu weit gehen würde, die Statistik Austria dem Nationalrat zu unterstellen.
Um die Statistik Austria muss man sich Sorgen machen. Berichte, ihre Eigenständigkeit solle aufgehoben und sie selbst mitsamt der Kommunikation direkter dem Bundeskanzleramt unterstellt werden, hat ebendieses zwar dementiert. Meldungen über einen Personalabbau – und zwar gerade auch in der Kommunikationsabteilung – stärken jedoch nicht gerade die Glaubwürdigkeit solcher Beteuerungen. „Message Control“ droht auch in diesem Bereich.
Die Antwort der Opposition deckt sich mit jener von Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfer: Die Statistik Austria solle im Sinne ihrer Unabhängigkeit dem Nationalrat unterstellt werden. An ihrer Spitze solle künftig ein Präsident stehen, der von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten gewählt wird. Aufs Erste klingt das vernünftig.
Denkt man etwas länger darüber nach, tauchen jedoch Einwände auf: ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat schon recht, wenn er sagt, dass damit eine Verwaltungseinheit dem Hohen Haus unterstellt werden würde. Genauso könnte man bei nächster Gelegenheit bei den Gerichten verfahren. Oder wo auch immer.
Gerechtfertigt wäre so etwas wohl nur in einem Notstand; konkret, wenn die Regierung und ihre Mitglieder nicht mehr in der Lage wären, Behörden zu führen. Solange sie das aber prinzipiell tun können, würde es auf ihre Entmachtung hinauslaufen.
Entscheidender ist vielmehr, dass eine politische Kultur gepflegt wird. Und daran hapert es.
Entscheidender ist vielmehr, dass eine politische Kultur gepflegt wird. Und daran hapert es vorne und hinten: Insbesondere Personalentscheidungen im öffentlichen Sektor sind vor allem parteipolitisch motiviert. Wobei es nicht nur darum geht, jemanden unterzubringen, sondern auch darum, sich die jeweilige Einrichtung gefällig zu machen.
Das hat Geschichte: Konrad Pesendorfer hat zwar fachliche Kompetenzen mitgebracht, ist 2010 aber halt aus Kabinett des damaligen Bundeskanzlers und SPÖ-Vorsitzenden Werner Faymann in die Führungsetage der Statistik Austria gewechselt. Jetzt steht ganz offensichtlich Sebastian Kurz vor der Versuchung, eine bestimmte Personalentscheidung zu treffen und insofern einen Schritt weiterzugehen, als er die Statistik über eine Organisationsreform auch ganz grundsätzlich zu einem Instrument seiner Macht machen könnte.
Da wird eine Unkultur weitergepflegt oder vielleicht sogar noch verstärkt.
Da wird eine Unkultur weitergepflegt oder sogar noch verstärkt. Ganz neu ist sie allerdings nicht. Und das ist das Problem: Das Funktionieren eines politischen Systems setzt voraus, dass seine Akteure einen gewissen Stil pflegen, Formen wahren und ihrer Verantwortung für das Staatsganze gerecht werden. Sonst kann’s nicht wirklich klappen.
Und übehaupt: Der Nationalrat kann Missstände kaum korrigieren. Siehe Rechnungshof, der ihm wie die Volksanwaltschaft im Sinne der Kontrolle unterstellt ist. Erst Ende Jänner stand an dieser Stelle eine Analyse unter dem Titel „Missbrauchter Rechnungshof“: Sie zeigte, wie sehr er parteipolitisch motiviert eingesetzt wird. Auszug aus dem damaligen Text: „ÖVP und FPÖ haben den Rechnungshof beauftragt, die Zeit des heutigen SPÖ-Managers Thomas Drozda als Geschäftsführer des Burgtheaters zu durchleuchten. Von den Sozialdemokraten erhielt das Kontrollorgan den Auftrag, die Generalsekretäre zu prüfen, die Schwarz-Blau in den Ministerien eingesetzt hat. Und ÖVP und FPÖ lassen den Rechnungshof wiederum die Tätigkeit roter Ex-Gesundheitsminister unter die Lupe nehmen: Ja, das ist ein bisschen viel in diesen Tagen. Vor allem aber wird hier der Rechnungshof mehr denn je als parteipolitische Waffe eingesetzt.“
Wenn der Nationalrat zumindest über die Opposition eine sinnvolle Rolle bei der Statistik Austria einnehmen möchte, dann ist es die, die Kontrolle zu verschärfen: Über Anfragen und Anträge Sebastian Kurz zur Verantwortung ziehen und im Fall des Falles einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
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