Ein Handstreich

ANALYSE. Ältere Gesetze in einem Aufwasch beseitigen geht gar nicht – zumindest demokratiepolitisch gesehen.

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ANALYSE. Ältere Gesetze in einem Aufwasch beseitigen geht gar nicht – zumindest demokratiepolitisch gesehen.

Justizminister Josef Moser (ÖVP) hat viel vor. Die größte Rechtsbereinigung, die es in Österreich je gab, nämlich. Wörtlich sagte er Anfang Jänner laut Transkript von neuwal.com in einer „ZiB2“: „Ich werde noch im ersten Halbjahr dieses Jahres alle Rechtsvorschriften außer Kraft setzen, die also vor dem 1.1.2000 kundgemacht worden sind, um gleichzeitig zu schauen, welche Regelungen sollen aufrecht bleiben, aber welche Regelungen fallen weg.“

Das kann man unter Umständen begrüßen – einerseits: Würde es doch zu einer einmaligen Deregulierung in einer überregulierten Republik kommen. Abgesehen davon würde Österreich wohl kaum zusammenbrechen. Im schlimmsten Fall würde sich herausstellen, dass die eine oder andere Regelung wieder eingeführt werden muss. Und das sollte möglich sein. Kein Grund zur Panik also. So gesehen. Demokratiepolitisch gesehen schaut die Sache jedoch ganz anders aus.

Was immer Moser nun genau vorhat, zunächst einmal ist er persönlich nicht dazu befugt, Rechtsvorschriften außer Kraft zu setzen; so viele Gewaltenteilung gibt’s noch immer. Vor allem aber sollte er dies bedenken: Hinter jedem Gesetz steht ein konkreter Meinungsbildungsprozess. Einmal war er umfassender, da konnte sich vielleicht auch eine breitere Öffentlichkeit einbringen; ein anderes Mal handelte es sich um ein bloßes Tauschgeschäft zweier Koalitionsparteien. Immer aber gab es schlussendlich eine parlamentarische Mehrheit dafür.

Es wäre vielmehr so, als wollte man das komplette Regierungsprogramm in einer Art Sammelgesetz beschließen; darauf würde sich wohl kaum jemand einlassen.

Das Ergebnis mag in vielen Fällen nicht mehr brauchbar sein. Fremdenrechtsbestimmungen und ASVG sind beispielsweise so kompliziert geworden, dass sie kaum noch angewendet werden können. Das ist jedoch korrigierbar. In einem Fall nach dem anderen. Ganz ohne Brachialgewalt.

Anders ausgedrückt: Alle Gesetze zusammengefasst bringen in Summe einen über Jahrzehnte hinweg praktizierten und demokratisch legitimierten Interessensausgleich zum Ausdruck. Also kann man sie auch nicht in einem Aufwasch beseitigen. Das hieße, undifferenziert aus der Welt zu schaffen, was frühere Koalitionen fixiert haben. Zumindest bis 2000, als Schwarz-Blau I kam.

Das wäre ein Handstreich. Und zwar auch dann, wenn es durch eine Nationalratsmehrheit abgesegnet werden würde: So pauschal würde es schließlich auch jede sachliche Auseinandersetzung ad absurdum führen. Es wäre vielmehr so, als wollte man das komplette Regierungsprogramm in einer Art Sammelgesetz beschließen, von den Raucher-Schutz-Bestimmungen über den Ausbau der direkten Demokratie bis hin zu den 12-Stunden-Tagen – frei nach dem Motto „Alles oder nichts“. Und darauf würde sich wohl kaum jemand einlassen.

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