ANALYSE. Der burgenländische Landeshauptmann hat sich den Wahlerfolg teuer erkauft. Die ÖVP hat ein großes Problem, die FPÖ kann zufrieden sein und die Grünen dürfen wieder hoffen.
Schaut man sich an, wie „Landeshauptmann-Parteien“ bei der jeweils letzten Landtagswahl abgeschnitten haben, gibt es eine Zeit vor dem Sebastian-Kurz-Rücktritt, dem Beginn einer verstärkten Teuerung und der Impfpflicht-Geschichte und eine Zeit ab dann. Im Oktober 2020 hat die SPÖ in Wien leicht zulegen können, und im September 2021 hat die ÖVP in Oberösterreich dies gerade noch tun können. Dann änderte sich vieles – setzte es von Niederösterreich (ÖVP) über Kärnten (SPÖ), Salzburg, Vorarlberg und der Steiermark (alle ÖVP) durchwegs massive oder massivere Verluste. Man hat schon den Eindruck gewinnen können, dass an der Erzählung etwas dran sei, wonach Regierende unter den gegebenen Umständen nur groß verlieren können. Das ist jedoch Unsinn, den Verlierer verbreiten, um ihre Haut zu retten.
Hans Peter Doskozil hat nun mit der SPÖ den Gegenbeweis geliefert. Sie hat zwar von 49,9 auf 46,4 Prozent verloren. Damit hat sie jedoch vergleichsweise wenig verloren. Abgesehen davon sind 46,4 Prozent sehr viel: Geht man alle Bundesländer durch und schaut, wie viel die jeweilige „Landeshauptmann-Partei“ hält, sieht man das: Die Wiener SPÖ von Michael Ludwig folgt mit Abstand bzw. 41,6 Prozent, dann die niederösterreichische ÖVP von Johanna Mikl-Leitner mit nur noch 39,9 Prozent. Sie, die so lange absolut regiert hat!
Gerade in der niederösterreichischen ÖVP wird man sich fragen, was Doskozil kann, was Johanna Mikl-Leitner nicht kann. Und wenn es bei den (nö.) Gemeinderatswahlen am kommenden Sonntag wieder schwere Verluste setzt, dann wird es kritisch für sie. Zeigt sich, dass ihr Versuch, Blaue zu kopieren und für Krampus und Nikolaus zu kämpfen, bedrohlich ist für die Partei.
In der Sozialdemokratie muss man froh sein, dass das Burgenland rot bleibt. Rein machttechnisch. Sonst wäre man auf dem Weg zur reinen Stadtpartei. Im Übrigen ist offensichtlich, wie teuer sich Doskozil den relativen Wahlerfolg erkauft hat: Er ist in innerparteiliche Opposition gegangen; er hat sich gleich gegen eine Koalition mit ÖVP und Neos auf Bundesebene ausgesprochen, de facto also für einen Kanzler Kickl. Damit hat er es auch Leuten ermöglicht, diesmal rot zu wählen, die ihre Stimme bei der Nationalratswahl der FPÖ gegeben haben.
Er hat unmissverständliche Signale in der Asyl- und Migrationspolitik ausgesendet, sich vor allem aber existenziellen Fragen einer Masse zugewendet wie kaum ein anderer österreichischer Politiker. Stichwort Teuerung, Stichwort Energie- und Wohnkosten. Er hat dies über einen öffentlichen Sektor im Land betrieben, der so groß sein dürfte wie in kaum einem anderen Bundesland. Starker Staat ist sozusagen seine Devise. Womit halt auch politische Einflussmöglichkeiten einhergehen, die kritisch sind und Kosten, die unabsehbar sind.
So wichtig es für die Sozialdemokratie ist, dass das Burgenland unter sozialdemokratischer Führung bleibt, zumal die Lage außerhalb von Wien sonst überwiegend dramatisch ist für sie, so wesentlich bleibt für sie die Frage, wie sie in absehbarer Zeit wieder eine Einheit bilden könnte. Im Moment besteht sie aus Andreas Babler, Wien, Burgenland und einigen anderen dazwischen. Anders ausgedrückt: Von einzelnen Teilen, die zum Teil gegeneinander agieren, hat sie nichts. So zerfällt sie.
Für die ÖVP ist das Wahlergebnis wie erwartet ausgefallen. Es entspricht ungefähr Umfrageergebnissen. 21 Prozent sind aber eine Katastrophe für sie. Sie, die in Städten kaum noch etwas zu melden hat, reißt auch in einem ländlichen Bundesland kaum noch etwas; jedenfalls gemessen an ihren besseren Zeiten ebendort. Schon die rund 30 Prozent bei den letzten beiden Wahlen waren schlecht für ihre Verhältnisse. Jetzt noch einmal viel weniger. Hier scheint sich eine freiheitliche Prophezeiung zu bewahrheiten: Nachdem die Volkspartei die Mitte vernachlässigt hat, um sich nach rechts zu bewegen, riskiert sie, von der FPÖ, die dort zu Hause ist, aufgesaugt zu werden.
Die FPÖ hat ihren Stimmenanteil auf 23 Prozent mehr als verdoppelt. Insofern kann sie zufrieden sein. Wegen Doskozil ist es halt nicht gelungen, eine blau-schwarze Mehrheit zusammenzubringen und Norbert Hofer zum Landeshauptmann zu machen. Man könnte auch sagen: In Doskozil hat man hier einen Gegner gefunden, mit dem man sich nicht so einfach tut wie zuletzt etwa mit Christopher Drexler in der Steiermark.
Die Grünen haben sich im Landtag halten können. Das ist nicht selbstverständlich in einem Bundesland schier ohne Urbanität. Es ist vor allem aber vielleicht ein Zeichen, dass ein Rechtsruck und damit verbundene Polarisierung etwas ist, was den Grünen die Existenz sichert.