ANALYSE. Eine Sozialdemokratie, die Führungs- und Ausrichtungsfragen offengelassen hat, rennt von Wahlniederlage zu Wahlniederlage – und stärkt den burgenländischen Landeshauptmann.
Nicht nur die Kärntner SPÖ hat bei der Landtagswahl verloren, auch die Perspektiven der Partei insgesamt haben sich weiter verschlechtert. Die Option Ampelkoalition mit Neos und Grünen scheint erledigt zu sein. Auf Bundesebene gibt es in Umfragen schon lange keine Mehrheit mehr dafür. Jetzt ist eine solche (in Prozent!) auch im südlichen Bundesland abhandengekommen. Neos und Grüne haben es nicht in den Landtag geschafft und die Sozialdemokratie unter Führung von Landeshauptmann Peter Kaiser ist auf weniger als 40 Prozent abgestürzt.
„Es ist ein Ergebnis, das schmerzt“, fand SPÖ-Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Zurückzuführen sei es unter anderem auf die Führungsdebatte in den eigenen Reihen, also die Debatte über ihre Person.
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat sich unterdessen einmal mehr als ihr Nachfolgekandidat in Stellung gebracht. In einem „profil“-Interview versucht er klarzustellen, dass er gesundheitlich in der Lage wäre, zu übernehmen: „Ich weiß, dass es geht.“ Eine Knorpelstruktur des Kehlkopfgerüstes verknöchere zunehmend: „Laut meinen Ärzten ist das eine positive Entwicklung, weil sie das ursprüngliche Stimmbandproblem sogar lösen kann.“
Und nebenbei spricht er selbstbewusst von sich aus an, „dass Teile der Wiener Landespartei nicht begeistert wären, wenn ich Spitzenkandidat der Sozialdemokratie wäre“. Das sei „ja hinlänglich bekannt“ und müsse zur Kenntnis genommen werden, so Doskozil. Er hätte auch sagen können: „Es spielt keine Rolle.“
Grund: Die SPÖ hat es in den vergangenen Jahren verabsäumt, eine Richtungsentscheidung zu treffen. Sie hat es unterlassen, ein eigenständiges Profil zu entwickeln, das sie für eine relative Mehrheit der Wähler zu einer erstrebenswerten Alternative zu ÖVP und FPÖ macht. Also hat sie zunächst (infolge der Ibiza-Affäre) nicht von der freiheitlichen und dann (infolge des Sebastian-Kurz-Abgangs) nicht von der türkisen Krise profitiert. Heute hat sie weder Aussicht aufs Kanzleramt noch auf die Option Ampel, die sie allein schon brauchen würde, um nicht nur der ÖVP ausgeliefert zu sein bei allfälligen Regierungsverhandlungen.
Schlimmer für sie: Die ÖVP mag weit von den 37,5 Prozent entfernt sein, ihre Lage ist aber nicht aussichtslos. Im Gegenteil: Es stärk sie, dass sie zusammen mit der FPÖ wieder auf eine Mehrheit rechts der Mitte kommt. Dass sie sich auch ohne SPÖ in der Regierung halten könnte. Dass Wähler, die in den vergangenen Monaten zwischendurch zur Sozialdemokratie tendierten, zurzeit wieder bei den Freiheitlichen ankommen.
Es scheint nun unmöglich zu sein, Links der Mitte oder auch nur in einer breiten Mitte eine Mehrheit gegen ÖVP und FPÖ zu erreichen. Bezeichnend: In Kärnten am stärksten gewonnen hat das Team Kärnten mit dem Bürgermeister von Spittal an der Drau, der selbst bestätigt, im Grunde genommen freiheitliche Politik zu machen, aber halt nur einen anderen Stil zu pflegen: In einer Elefantenrunde von oe24 erklärte er, ohne Hetze verhindert zu haben, dass Syrer und Afghanen „bei uns“ untergebracht werden
Genauer. Es scheint unmöglich zu sein, bis zur Nationalratswahl in spätestens eineinhalb Jahren eine Mehrheit für ein anderes Österreich zu erreichen. Ein Zeitfenster dafür hätte es gegeben, als Blaue und Türkise buchstäblich darniederlagen. Das ist jedoch vorbei.
Die SPÖ führt ihre Führungsdebatte schon zu lange und ist eine ebenfalls nötige Ausrichtungsdebatte noch nicht einmal angegangen. Man weiß nicht, worauf ihr mächtigster Funktionär, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, gewartet hat. Darüber zu spekulieren, ist müßig. Der Punkt ist: Allein durch dieses Zögern ist Hans Peter Doskozil nahezu alternativlos gemacht worden als Rendi-Wagner-Nachfolger.
Das ist besonders für all jene in der Sozialdemokratie schmerzlich, die Doskozil als einzelkämpfenden Populisten ablehnen, der sich nicht scheut, auch rechte Positionen zu vertreten: Wenn es der SPÖ darum geht, Platz eins bei einer Nationalratswahl zu erreichen, muss sie auf ihn setzen. Sie muss einen hohen Preis dafür zahlen. Aber das hat sie sich selbst zuzuschreiben.
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